HomeGarantienderHarmonie und FreiheitVonWilhelm Weitling1842InhaltsverzeichnisErster Abschnitts.Die Entstehung der gesellschaftlichen Uebel.Kapitel 1. Urzustand der Gesellschaft Zweiter Abschnitt.Ideen einer Reorganisation der Gesellschaft.1. Das Element der gesellschaftlichen Ordnung VORWORT
Werft einen forschenden Blick um Euch rund herum in die Wohnungen der Menschen, tretet in die Hütte des Armen, in die eleganten Häuser der Reichen, steigt auf die Schiffe der Kaufleute und in die Minen des Bergmanns, examinirt das Wesen Eurer eigene Haushaltungen, und verfolgt darin den Lauf der Mühen und Plagen, so wie den der Erholungen und Vergnügungen bis in seine kleinsten Einzelkeiten, so werdet Ihr all überall in jeder der verschiedenen Wohn- und Werkstätten dieselbe Klage über eine schlechte Ordnung der Dinge, über eine schlecht geführte Wirtschaft des einen oder des andern Zweiges der gesellschaftlichen Arbeiten vernehmen. Nun zieht Euch vor jeder dieser Klagen, die in der Nähe alle andern zu übertönen scheinen, zurück mit Euren Betrachtungen in den entferntestem Winkel Eures geistigen Ichs, so werdet Ihr statt aller dieser besondern Klagen in der Ferne nur noch Etwas wie ein allgemeines lautes Gemurmel vernehmen. Concentrirt auf dasselbe alle Eure Gedanken, verbleicht die verschiedenen Klagen, so wie die Ursachen derselben, paßt im Geiste die entgegengesetzten Extreme aneinander und vermischt sie miteinander, so wird das Gemurmel der Unzufriedenheit sich in eine Stimme der Harmonie verwandeln. Bis auf diesen Punkt wenigstens sollten sich die Ideen aller Gesetzgeber versteigen, statt daß dieselben sich nur zwischen alten Aktenschränken und den vier Wänden ihrer Geldkasten kreuzen. Habt Ihr Euch auf diese Weise ein treues Bild von den in der Gesellschaft nistenden Lokalübeln gemacht, so wendet das Blatt herum und denkt Euch im Geiste unsere Erdkugel in der Gestalt eines Globen vor Euren Blicken schwebend. Das Verhältniß der Größe des physischen Ichs des Menschen ist im Vergleich zu den höchsten Bergen dieser Erde kaum von der Wichtigkeit eines Sandkorns zu einer Kegelkugel, und diese höchsten Berge stehen zur Erdkugel ganz wieder in demselben Verhältnisse. Wie winzig klein doch der Mensch ist! und wieviel Raum für ihn auf dieser Erde! Stellen wir uns nun die Globenseite mit dem alten Europa vor die Augen. Wie es da wimmelt von in die Kreuz und in die Quer gezogenen bunten Grenzen, und dazwischen singen sie Freiheitslieder, wie der Dompfaff im Käfig sein: "ein freies Leben führen wir." Das Thier weiß freilich nicht, was es singt: ob die da zwischen den Grenzen es wohl wissen? — Nun wollen wir einmal unsern Globen mit der Hand des Schicksals einen derben Stoß geben (versteht sich immer im Geiste). Seht Ihr’s? ganze Armeen stürzen davon über die bezeichneten Grenzen, aber nicht um sie aufzuheben, sondern um sich wegen der Form und Farbe derselben einander gegenseitig abzuwürgen; denn — sie verstehen einander nicht! Und doch haben sie Alle von der Natur ein und dieselben Sprachorgane. Ist das nicht ein spaßhaftes Geschlecht! Wie es sich da auf einigen Punkten zusammendrängt, und mit seiner Phantasie zwischen den dichtbesäeten Wohnplätzen Linien zieht, um sich den gegenseitig nothwendigen Verkehr und die gegenseitig nöthige Hülfe zu erschweren.— Und ihr verschiedenes Kauderwälsch, das sie Sprachen nennen, und das die Hauptursache der Verewigung ihrer Trennung und ihrer Leiden ist, halten sie für heilig und legen noch einen großen Werth darauf! Genug mit der Globenbetrachtung! Hier habt Ihr die Anleitung dazu; fahre nun Jeder darin nach seiner Weise fort. Wer noch ernstere Betrachtungen daran knüpfen will, der stelle sich nur recht lebhaft die Unbedeutsamkeit dieser ganzen Erdkugel vor, indem er dieselbe mit den zahllosen, meist viel größern Himmelskörpern vergleicht, deren ungeheure Menge in den Ungeheuren Räumen unseres Gesichtskreises eine lichte Straße bilden (die Milchstraße), und die, weil unsere viel kleinere Erde bewohnt ist, doch sehr wahrscheinlich auch von noch vollkommeneren Wesen als wir, bewohnt sein werden. Bis in diese Region der Gedanken versteigt sich das Wissen, höher hinauf fängt das Reich des Glaubens an. So hoch wollen wir uns aber nicht versteigen, damit wir den rechten Faden im Knoten der gesellschaftlichen Unordnung nicht verlieren; denn noch sind nicht einmal Alle von der wirklichen Ausdehnung derselben überzeugt. Die Größe der Uebel aber muß vor Allem jedem Begriffe leicht faßlich dargestellt werden; dann wächst auch der Muth, die Hand der Zerstörung an das Werk tausendjähriger Unordnung zu legen. Zeigen wir der Gesellschaft, was sie ist in einer schlechten Organisation und was sie in einer bessern sein könnte, und hat sie das begriffen, dann kümmern wir uns nicht im Geringsten um den Aufbau, und legen wir nicht zu viel Werth auf unsere Lieblingspläne zum neuen Bau, sondern reißen wir nieder, immer nieder mit dein alten Trödel und nieder mit jeden neuen Gerüste, weg mit jeder neuen Basis, die noch einen Rest der alten Uebel bergen. Nichts ist vollkommen unter der Sonne! Nie wird eine Organisation der Gesellschaft gefunden werden, welche für alle Zeiten unabänderlich die beste sein wird, weil dieses einen Stillstand der geistigen Fähigkeiten des Menschen, einen Stillstand des Fortschrittes voraussetzte, welcher nicht denkbar ist. Daraus aber, daß nichts vollkommen ist, geht ja schon die Notwendigkeit fortlaufender Reformen, und die Schädlichkeit der Heiligung alter Gesetze und Gewohnheiten hervor. Der Fortschritt ist ein Gesetz der Natur, sein Stillstand ist die allmälige Auflösung der Gesellschaft. Diese zu verhindern, jenen zu beschützen ist unser Aller Sache und nicht die einer priviligirten Kaste. Drum habe auch ich mich an dieses Werk gemacht; meine zahlreichen Kameraden sprachen mir dazu Muth ein. Du, sagten sie, theilst unsere Meinungen, kennst unser Verlangen und unsere Wünsche, wir geben dir die Gelegenheit, also auf, mache dich rüstig an die Arbeit, so lange du noch dazu die Kraft in dir fühlst. Das war der Aufmunterung genug! was brauchte es da mehr. Sie arbeiteten für mich, ich arbeitete für sie; hätte ich es nicht gethan, hundert Andere hätten sich statt meiner dafür gefunden; aber ich hatte die Gelegenheit, mithin war es meine Pflicht, sie zu benutzen. Vorliegendes Werk ist also nicht mein Werk, sondern unser Werk; denn ohne den Beistand der Andern hätte ich nichts zu Stande gebracht. Die gesammelten materiellen und geistigen Kräfte meiner Brüder habe ich in diesem Werke vereinigt. Diese Zusammenstellung wird aber in der Folge noch bedeutend verbessert werden; denn vollkommen ist nichts unter der Sonne. Und nun Leser, wenn Du in diesem Buche Wahrheiten findest, so mache Dich an’s Werk, sie zu verbreiten; denn es ist keine Zeit zu verlieren. Millionen unglücklicher Geschöpfe schreien zu Gott um Hülfe. Mit Steuern und Almosengeben, mit Gesetzen und Strafen, mit Petitionen und religiösen Trostsprüchen ist da nicht geholfen. Das alte Uebel hat sich schon zu weit eingefressen. Eine Katastrophe muß den Bruch des Guten mit dem Bösen herbeiführen. Sie wird nicht ausbleiben; wenn Jeder nach Kräften dahinstrebt, sie vorzubereiten. Der Allmächtige ist unser Hort, die Freiheit unser Wort und die Veredlung und Vervollkommnung unserer Lehre das Zeichen, daß wir siegen. Der Verfasser. Erster Abschnitt.Die Entstehung der gesellschaftlichen Uebel.Erstes Kapitel.Der Urzustand der Gesellschaft.Die ersten Spuren der Entwicklung des Menschengeschlechts finden wir in den fruchtbarsten und schönsten Gegenden der Erde. Hier verlebte es seine Kindheit, hier spielte, lachte, scherzte und genoß es, ohne andere Gesetze und Hindernisse, als die, welche die Natur ihm in den Weg legte, ohne andere Mühen, als die Uberwältigung dieser Hindernisse. Damals bot die reiche Natur dem Menschen seine Bedürfnisse in tausendfachen Ueberfluß dar. Die Erde war für ihn groß und weit. Er hatte kaum Kenntniß von dem hunderttausendsten Theil der Oberfläche derselben; denn er war noch nicht gezwungen, dieselbe seiner Bedürfnisse wegen nach allen Richtungen zu durchkreuzen und alle Winkel derselben auszustöbern. Auf die Jagd gehen, essen und trinken, lieben und spielen waren seine Lieblingsbeschäftigungen; die Begriffe Arbeit und Müßiggang, Sklaverei und Herrschsucht, Eigenthum und Diebstahl waren ihm noch unbekannt. Die Jagd, das Einsammeln der Früchte, die Einrichtung seiner Höhle oder Hütte waren für ihn keine Arbeiten nach den heutigen Begriffen des Wortes, darum dachte auch Niemand daran, diese Beschäftigungen einen Andern zu übertragen, um sie dann Arbeit und seine Ruhe Müßiggang zu nennen. Was der Mensch brauchte, das nahm er, wo er es fand. Hatte Jemand ein reichliches Mahl bereitet, so setzte sich der Nachbar uneingeladen dazu; denn das Mein und das Dein waren dem Menschen noch unbekannt. — Es muß doch ein seliges Glück gewesen seyn, was der Mensch, dieses Kind der Liebe Gottes und der Natur, in der Urzeit der Schöpfung im Paradiese dieser schönen Erde genoß. Welche Kluft zwischen damals und heute! Welch veränderter Zustand der Gesellschaft in unsern heutigen civilisirten Ländern! Wahrlich, die heutigen Wilden Amerika’s leben in ihren Wäldern glücklicher als wir zwischen unsern vermauerten Städten, abgezirkelten Feldern und Hecken; denn sie leben frei. Aber worin bestand denn nun eigentlich hauptsächlich der glückliche Zustand der ersten Menschen, die doch alle Bequemlichkeiten des Lebens, welche die Civilisation gewährt, nicht kannten? In der Freiheit und Unabhängigkeit, in der sie Alle lebten. Sie kannten nur wenige Bedürfnisse und die damals noch wenig bevölkerte Erde verschaffte ihnen diese Bedürfnisse ohne vorherige Arbeit in großem Ueberfluß. Dieser Zustand aber war es, der es jedem Einzelnen möglich machte, dem Andern gegenüber eine unabhängige freie Stellung zu behaupten, ohne nöthig zu haben, seine Unabhängigkeit und Freiheit gegen die Angriffe Anderer beständig bewahren und vertheidigen zu müssen. Glücklich ist nur der Zufriedene, und zufrieden kann nur der seyn, der Alles haben kann, was jeder Andere hat. Je mehr man nun dies Letztere jedem Einzelnen in der Gesellschaft möglich macht, um so zufriedener und folglich also um so glücklicher auch wird die Gesellschaft seyn; so lange aber jedes Individuum um und neben sich in der Gesellschaft Andere bemerkt, die sich einer bevorzugtern Lebenslage erfreuen, mit ihnen in Berührung kommt oder was noch ärger ist, von ihnen abhängig wird, so lange wird es weder zufrieden noch glücklich sein, selbst wenn es seiner gesellschaftlichen Stellung nach für reich und mächtig gilt. Und das soll es auch nicht sein; denn die Zufriedenheit ist keine Tugend, wie man uns seit Jahrtausenden, seit Beginn des Reichs der Ungleichheit und der Bedrückung vorschwatzt, sondern sie ist ein aus natürlichen Ursachen entsprungenes natürliches Gefühl der Harmonie der Begierden und Fähigkeiten. Diese Zufriedenheit, die man uns als eine Tugend empfiehlt, ist eine Feigheit. Wenn der Mensch zur Befriedigung seiner Bedürfnisse nicht hat, was Andere haben können, kann, soll und darf er nicht zufrieden seyn; denn das wäre die Zufriedenheit eines Sklaven, die Zufriedenheit eines geprügelten Hundes. Die Zufriedenheit ist das Gleichgewicht der menschlichen Begierden und Fähigkeiten, wo diese bei den Einen zum Nachtheil der Andern das Uebergewicht haben können, herrscht Unzufriedenheit. Statt daß nun die heutige Gesellschaft sich die Mühe geben sollte, überall für jedes Individuum durch alle mögliche Mittel dieses Gleichgewicht zu erhalten, begünstigt sie vielmehr das abscheulichste Mißverhältnis. Meint ihr nicht, daß es bald Zeit sey, die Geldsäcke, welche die Begierden und Fähigkeiten der Einen zum Vortheil der Andern niederdrücken, aus eurer Wagschaale der Gerechtigkeit hinauszuwerfen, damit das ursprüngliche Gleichgewicht sich wiederherstelle? Ja wohl ist es Zeit! Drum hinaus mit dem falschen Gewicht, dem blinkenden Mammon, mit welchem ihr die Sehenden blind und die Sprechenden stumm macht, damit das natürliche Gleichgewicht und mit ihm Zufriedenheit, Frieden und Freiheit sich unter uns wieder herstelle. Die Menschheit in ihrer Kindheit lebte frei und unabhängig, weil Jeder seine Begierden nach Belieben befriedigen, nach Gefallen entwickeln konnte; wollt ihr den Menschen heute wieder frei und unabhängig machen, so gebt der Gesellschaft eine Organisation, welche Allen im gleichen Verhältnisse die Befriedigung ihrer Begierden, die Entwicklung ihrer Fähigkeiten erleichtert. Die Gelüste und Begierden des Individuums entstehen durch den Eindruck, den die Produkte der Fähigkeiten der Gesellschaft auf die Sinne machen. Dem Menschen gelüstet also doch nur vorzüglich nach dem, was wirklich da ist, von dessen Daseyn und Nutzen er Kenntnisse hat; folglich sind doch die Begierden des Menschen seinen Fähigkeiten untergeordnet. Darum aber steht die Gesammtsumme der Fähigkeiten jeder Generatien auch immer mit der Gesammtsumme ihrer Bedürfnisse im Einklang. Diesen Einklang mit den ungleichen Graden der Fähigkeiten und Begierden der Einzelnen in Harmonie zu bringen, dies muß die Aufgabe der Gesellschaft seyn. Die Natur hat ihr dazu die Mittel gegeben, überläßt ihr aber die Anwendung derselben. Eben dieser Harmonie der Fähigkeiten und Begierden wegen war der Zustand der Menschheit in ihrem Jugendalter ein glücklicher, weil Jeder damals Alles hatte, was er brauchte und Alles haben konnte, was ein Anderer auch hatte. Darum waren sie zufrieden und glücklich; denn wenn sie alle die ausgesuchten Speisen auch nicht kannten, die heute den Gaumen der Bemittelten kitzeln: so kannten sie auch den Hunger, die Entbehrung und alle Uebel in ihrem Gefolge nicht. Wenn sie die Genüsse des Kaffee’s und des Zuckers nicht kannten: so kannten sie auch den Sklavenhandel und die Sklavenpeitsche sammt allen ihren Gräueln nicht. Wenn sie die Menge unserer Arzneimittel nicht kannten: so kannten sie auch die Menge unserer Krankheiten und Gebrechen nicht. Wenn sie unsere geistigen Getränke nicht kannten: so kannten sie auch das Laster der Trunkenheit sammt seinen schrecklichen Folgen nicht. Wenn sie unsere prachtvollen Wohnungen und Paläste nicht kannten: so kannten sie auch unsere Gefängnisse, Kasernen und Festungen, unsere Zucht-, Zoll-, Arbeits- und Polizeihäuser nicht. Wenn sie unsere prächtigen Möbel nicht kannten: so kannten sie auch die Sucht nicht, die Kasten derselben auf Kosten Anderer zu füllen: so kannten sie die Bänke und Tribunen falscher Gelehrten und eigennütziger Volksvertreter nicht. Wenn sie unsere moderne Kleider nicht kannten: so kannten sie auch die mühsame Verfertigung derselben nicht: so hatten sie auch keine durch anhaltendes Sitzen verkrüppelte Gesundheit. Wenn sie unsere Erfindungen, Künste und Wissenschaften nicht kannten: so war das, weil sie derselben, um glücklich zu leben, nicht nothwendig hatten: so kannten sie übrigens auch den schrecklichen Zustand der Ungleichheit nicht, welcher dadurch entstand, daß diese Erfindungen, Künste und Wissenschaften für die persönlichen Interessen Einiger benutzt wurden. Wenn sie unsere Wahrheiten nicht kannten: so kannten sie aber auch nicht unsere Irrthümer. Sie kannten unsere Genüsse nicht, aber auch nicht unsere Mühen und Lastern; unsere Tugenden nicht, aber auch nicht unsere Laster. Das Glück besteht in der Zufriedenheit und die Zufriedenheit in der Freiheit. Freiheit aber ohne Gemeinschaft ist theilweise wohl für Einzelne, nicht aber für Alle denkbar. Wenn von heute an alle Arme auf dem Erdboden ein Leben führen könnten wie die Grafen, und die Grafen eines wie die Kaiser, und so jeder Stand ein hundertmal besseres als früher, so wäre darum doch der Mensch nicht zufrieden; denn er wäre nicht frei in einer solchen Organisation der Ungleichheit. Wenn aber alle Menschen des Erdbodens im Instand der Gemeinschaft lebten, und darin erzogen worden wären: so würden sie alle mitsammen freier und zufriedener leben, als die Bevorrechteten im heutigen Zustande der Ungleichheit, und wenn sie die Woche nur einmal Fleisch zu essen und nur einmal Wein zu trinken hätten. Zweites Kapitel.Die Entstehung des bewegliche Eigenthums.Mittlerweile war die Milch der Thiere eine Nahrung für die Menschen geworden, und um diesen Nahrungszweig ohne viel Mühe haben zu können, zähmte man die friedlichsten derselben, und sammelte sie um sein Zelt, seine Hütte oder Höhle. Auf diese Art entstand das Hirtenleben, und mit ihm die Berufsklassen in der Gesellschaft. Hirten und Jäger hatten jetzt bald Einer vor dem Andern verschiedene Interessen. An das Eigenthumsrecht hatten sich Beide noch nicht gewöhnt; der Hirt machte zuerst Anspruch darauf. Er wehrte dem Jäger, die unter seiner Hut weidenden Tieren zu tödten; gab ihm aber von ihrer Milch. Nun überzeugte sich das Jägervolk — dem erst das Leben in Gemeinschaft gezähmter Thiere, und das Abwehren, sie zu essen, lächerlich vorkam — von dem Nutzen der Heerden; man theilte die Milch derselben so wie die Beute der Jagd miteinander; aber der Schäfer fing an, die Heerde zu zählen, und der Jäger die Häute, und so entstand, ohne daß man es merkte, der Begriff des beweglichen Eigenthums. Das Schaf ist von meiner Heerde, sagte jetzt ein Schäfer zu dem andern mit ernster Miene, die diesen lachen machte. — Das Wort "meiner" hatte er nicht verstanden, wohl aber die Miene, die ihm so viel sagen wollte, als: "nimm’s nicht." Wenn jetzt Jäger und Hirten friedlich beisammen saßen, hieß es nicht mehr: "Laßt uns eine Ziege zur Mahlzeit herrichten", sondern: "Ich will euch mit einer von meinen Ziegen bewirthen." So gewohnte man sich nach und nach an das Mein und Dein, an das Recht des Eigenthums, und das Prinzip der Trennung. Damals war diese Einrichtung ganz in der Ordnung; sie gereichte zu Niemandes Schaden. War doch dadurch Niemanden das Recht verwehrt, auch Heerden zu haben. An zahmen und wilden Thieren, an Wald, Wiese und Früchten war kein Mangel; darum ließ man geschehen, wovon Niemand Schaden hatte. Dieser Begriff von Mein und Dein war aus dem Selbsterhaltungstrieb entstanden. Die Menschen lebten, weil sie Jäger und Hirten waren, mehr zerstreut, und entfremdeten sich darum auch immer mehr von einander. So geschah es, daß Jeder für die Erhaltung seiner selbst und seiner Familie nur auf sich angewiesen war. Sie fingen also an, die nöthigen Bedürfnisse zu berechnen. Dieser Selbsterhaltungstrieb setzt alle Glieder der Gesellschaft in Bewegung, und kann, je nachdem er geleitet wird, die wohlthätigsten oder schädlichsten Folgen für dieselbe haben. Vermöge des natürlichen Selbsterhaltungstriebes sucht der Mensch Alles zu haben, was nur irgend zu haben ist. Alles, was auf der Erde lebt, was in den Lüften sich bewegt, was in der Erde versteckt ist; Alles, was athmet und wächst; was man hören, sehen, schmecken, riechen und fühlen kann. Nach Allem gelüstet es dem Menschen, Alles sucht er zu genießen, obgleich er nicht Alles haben kann, weil die Natur seinen Begierden Schranken entgegen setzt, an welchen er unaufhörlich arbeitet, um sie niederzureißen, Je mehr es nun der Menschheit gelingt, diese hindernder Schranken niederzureißen, desto breiter und sicherer ist die Bahn des Fortschrittes, welche sich dieselbe bricht. Warum sollen wir denn also, statt Alle an der Niederreißung dieser Schranken zu arbeiten, Einige von dieser Arbeit mit Gewalt ausschließen? Die Natur sagt: Hier ist Land und Früchte, nehme Jeder, was er braucht. Der Mensch aber antwortet: Von dem Land mußt du mir mehr liefern an Fruchten als bisher; denn wir sind unserer Mehrere geworden. Und er fing an zu Pflügen und zu düngen, und zwang der Natur eine dreifache Erndte ab. Aber nur ein kleiner Theil der Oberfläche der Erde hat die Herrschaft des Menschen durch den Pflug gefühlt, und doch schreien Millionen um Brod, und möchten gern die Bresche erweitern, die der Ackerbau in die Schranke der Natur gebrochen. Wer hält sie zurück? Der Mensch selbst mit seinem verwirrten Mein und Dein. Die Natur sagte dem Menschen: Hier hast du zwei Füße und zwei Arme, bewege dich damit nach allen Richtungen, wohin es dir beliebt, um die Schätze kennen zu lernen, die ich für dich aufbewahrt habe. Der Mensch aber sagte: Du läßt mich im Laufen und Schwimmen hinter den Thieren zurück; und er erfand das Fahren und Reiten, die Eisenbahnen, Dampfwagen und Dampfschiffe, und ist nahe daran, den Vogel in der Luft zu übertreffen. Aber bei alle dem kriechen der Tagelöhner, der arme Bauer und sein Weib, und der Handwerksbursche mit ihrer Last auf dem Rücken von Dorf zu Stadt, und von Stadt zu Dorf. Der geschäftige Arbeiter läuft zu Fuß, der müßige Faullenzer fährt; der alte, schwache Greis lehnt vor Müdigkeit an eine Straßenecke, der übermüthige junge Fant in einer eleganten Equipage. Diese Leute alle, diese Millionen, möchten auch gerne die Bresche erweitern, die die Erfindung der schnellen Bewegung mittelst der Wagen und Eisenbahnen in die Schranke der Natur gerissen hat; warum verweigert man es ihnen denn? warum entzieht man ihnen die Mittel dazu? warum läßt man sie durch das mühsame unnütze Hocken und Lasttragen so viel Zeit verlieren, da man die Sachen viel bequemer einrichten kann? Auch wieder wegen des vermaledeiten Mein und Dein. Die Natur sagte zu dem Menschen: Hier hast du eine Stimme, bilde sie aus nach deinem Geschmack, damit du dich mit deines Gleichen verständlich machen kannst. Der Mensch aber sagte: Ich liebe die Geselligkeit, und möchte mich gern mit allen Erdbewohnern verständlich machen, darum, genügt mir meine schwache Stimme nicht; und er erfand die Buchstaben, das Schreiben und Drucken. Seit der Zeit ist es einer ganz schwachen Stimme möglich geworden, sich vor allen Erdbewohnern, die sie hören wollen, bis zu ewigen Zeiten vernehmbar zu machen, und sollten ihre Sprachwerkzeuge auch lange schon zu Moder und Asche geworden seyn. Und doch giebt es Millionen, die ein Wort der Wahrheit auf der Zunge haben und es nicht aussprechen dürfen; die gern auf den Vortheil der Verewigung ihrer Stimme verzichteten, wenn sie nur ihre natürliche Sprachwertzeuge gebrauchen dürften, wie sie die Natur ihnen gegeben hat. Die Einen können Wahrheit und Lüge nach Belieben verewigen und verbreiten, die Andern dürfen nicht einmal sagen: die ehrlichen Leute sperrt man ein und den Dieben erweist man Ehre. Und warum denn nicht? Auch wieder wegen des Mein und Dein. Die Natur sagte zu dem Menschen: Im Fall du mit dem, was ich dir gegeben, nicht genug hast; im Fall dir es nicht bequem ist: so kannst du dir es bearbeiten nach deiner Bequemlichkeit. Und der Mensch antwortete: Aber das Bearbeiten fängt an, mir viele Mühe zu machen, das wollen wir abhelfen. Und er erfand die Maschinen, welche mittelst der weisen Anwendung der rohen mechanischen Kraft zehnmal mehr arbeiten, als der Mensch früher im Stande war. Und doch giebt es jetzt in den englischen Fabriken Kinder, die täglich 19 Stunden arbeiten müssen, und mit der Peitsche zur Arbeit angetrieben werden; doch müssen wir alle uns jetzt noch ärger schinden als vor der Erfindung der Maschinen. Wie geht denn aber das zu? Das Mein und Dein ist die Ursache, welches den Grundsatz aufgestellt hat: Je mehr Maschinen, je weniger Arbeiter und je mehr Faullenzer. Die Natur sagte ferner: Da habt ihr meine Reichthümer, ihr Menschenkinder, es fehlt euch an nichts; richtet euch nun ein nach eurem Gutdünken, und seht zu, wie ihr daraus kommt. Der Mensch sagte aber: Das könnte ein Durcheinander geben. Wir haben Schwache und Kranke unter uns, die wollen wir nicht vernachlässigen; denn jeder von uns könnte auch in den Fall kommen. Damit man uns nun auch nicht vernachlässige, so laßt uns Gott über Alles lieben und unsern Nächsten wie uns selbst; und ein Heiland starb für diesen Beschluß am Kreuz. — Und nach ihm starben noch mehrere dafür; aber es sind der Opfer noch nicht genug. Nur herzu, ihr edlen Märtyrer, damit das Maaß der Schuld voll werde, daß über die Männer der 30 Silberlinge ausgegossen wird. Und warum denn Märtyrer, Kreuzestod und Silberlinge? Warum nicht das Gebot der Liebe? Auch wieder des Mein und Dein wegen. Drittes Kapitel.Die Entstehung des unbeweglichen Eigenthums.An eine Eintheilung der Erde in Länder, an Grenz- und Feldmarkungen, an Ziehung von Mauern, Zäunen, Gräben, Hecken und Verschlägen zur Trennung des Menschen von dem Menschen dachte man noch nicht. Der Boden war noch für Jedermann so frei wie heut zu Tage die Luft. Es gab noch keine Verbote des Ausruhens auf Grasplätzen und Wiesen, wie z. B. in den heutigen civilisirten Ländern, wo in einigen derselben sogar das Gras in den Graben der Landstraßen verpachtet ist; noch wurde man als Felddieb bestraft, wenn man auf Reisen eine Frucht vom Baum brach. Wie hätten die Menschen damals aufgehorcht, wenn ihnen Jemand gesagt hätte: "Nicht wahr, ihr geht und kommt heute wie die Vögel des Himmels, und sicherer als die Thiere des Waldes; ihr jaget und fischet wo und wie ihr wollt; ihr brechet von den Früchten des Waldes und Feldes wie und wo es euch beliebt; aber so wird es nicht immer seyn. Es wird eine Zeit kommen, wo das Land von schönen künstlichen Wegen durchschnitten seyn wird; aber diese Wege werden von Ort zu Ort mit bunten Stangen und Männern besetzt seyn, welche letztere dem Wanderer zurufen werden: Halt! damit wir euch visitiren. Zu dieser Zeit wird es Menschen geben, die des Morgens nicht wissen, auf welche Weise sie des Tags ihren Hunger stillen, und wo sie des Nachts ein Obdach finden sollen. Den Zugang zu diesen Früchten wird man ihnen mit Mauern, Gräben und Hecken verwehren, und bei jedem Versuch, sie zu durchbrechen, ihnen körperlich wehe thun; und nach jeder Mißhandlung, welche sie dieser Ursache wegen ausgestanden haben, wird ihnen Jedermann verächtlich den Rücken kehren. Es wird Menschen geben, die kein Recht mehr auf den Fisch im Wasser, das Wild im Walde und das Gras unter ihren Füßen haben werden. Diese Menschen aber werden die überwiegend große Mehrzahl seyn, und diejenigen, durch die sie in diesen Zustand versetzt seyn werden, werden auch Menschen seyn, aber eine bei weitem viel kleinere Zahl." Wie, fragen wir, würde man eine solche Rede in der damaligen Gesellschaft beurtheilt haben? Auf keinen Fäll mit weniger Unkenntniß und Unverstand als ähnliche Fragen in der heutigen, auf ihre Bildung versessenen Gesellschaft aufgenommen und beurtheilt werden. Der damalige Zustand des Menschengeschlechts war keinesweges so traurig als der unsrige heut zu Tage in unserer gerühmten Civilization: denn er stand mit den Bedürfnissen aller seiner Glieder im Einklang. Ob die Bildungsstufe einer Gesellschaft im Vergleich zu den früheren Generationen höher oder niederer steht, das trägt zum Glücke der Gesammtheit nichts bei und nimmt nichts davon. Nur wenn sich die Glieder ein und derselben Generation in verschiedene Bildungsstufen klassifiziren, so entsteht dadurch ein Mißverhältnis in der Gesellschaft, welches dem Glücke derselben entgegen ist. Die Bildungsstufen der Generationen müssen im Verhältnisse zu den Bedürfnissen aller ihrer Glieder stehen; die unsere ist dahinter zurück geblieben. In Erfindungen, Künsten und Wissenschaften haben wir einen riesenhaften Vorsprung gemacht; aber wir hatten noch nicht die Einsicht und den Muth, unsere gesellschaftliche Ordnung den neuen Produkten unseres Wissens anzupassen, und lassen es daher geschehen, daß unsere geistigen Fortschritte zum Vortheil Einiger das Uebel der Massen vermehren statt es zu vermindern. Und eben darum stehen wir hinter den Bedürfnissen unserer Zeit zurück. Darum steht es uns nicht gut an, unsere heutige Bildungsstufe so sehr hervorzuheben. Lassen wir das unseren, Nachkommen über; die werden unpartheiischer sich darüber ausdrücken. Das Hirten und Jägervolk im Urzustand der Gesellschaft konnte weder lesen noch schreiben; bei uns kann es jetzt jeder Bauer; indeß der Gebrauch, den wir davon machen, spricht nicht immer zu Gunsten unserer Einbildung. Was wir nach 300 Jahren, seit wir dieser Erfindung uns erfreuen, erst zu beweisen uns bemühen, wozu 300 der Erfindung der Buchdruckerkunst geweihte Jahre erst haben verstreichen müssen, bevor Einige anfangen es zu begreifen, das begriffen die Spartaner, und das Volk im großen Bauernkriege in wenigen Tagen, ohne lesen zu können. Die Unwissenheit der Vorfahren, heißt es, nährte das Vorurtheil und den Aberglauben. Das thut die Weisheit unserer Zeit auch; es kommt nur darauf an, sie zu bezahlen. Grausamkeit und Barbarey sind eine Frucht der Unwissenheit — . Die Weisheit unserer Zeit hat die Sachen noch nicht anders gemacht; wenn wir Niemanden mehr an’s Kreuz schlagen oder auf die Folter spannen, so lassen wir sie langsam verhungern, erfrieren oder unter dem Druck übermäßiger Arbeit dahinsterben. Künste und Wissenschaften können auf einer niederen Stufe der gesellschaftlichen Bildung nicht gedeihen. Und auf unserer gerühmten hohen Stufe der Bildung kann das Volk nicht gedeihen, trotz der vielen gemachten Erfindungen, dem Aufschwung der Künste und Wissenschaften; weil mit jeder gemachten neuen Erfindung man, statt unsere Arbeit zu erleichtern oder unsere Genüsse zu vermehren, die Zahl der Faullenzer vermehrt und die der Arbeiter vermindert. Im Zustande der ältern Gesellschaft kannte man die so reinen, schönen Genüsse nicht, welche die heutige Civilisation gewährt. Wem gewährt sie denn diese schönen Genüsse ohne ihm dafür dreifache Lasten aufzubürden? unter hundert kaum Einem; die Uebrigen aber müssen dafür büßen. Trotz dem ist es noch sehr die Frage, ob die natürlichen Freuden der Menschheit in ihrer Kindheit nicht allen verfeinerten Vergnügungen der heutigen Civilisation vorzuziehen waren. Wir wenigstens finden, daß die heiteren Spiele der Kindheit, wenn unsere Sitten sie bei erwachsenen Personen nicht verpönten, weit besser dem natürlichen Geschmack des Menschen angemessen sind. In Amerika’s Wäldern und auf den Inseln des großen Weltmeeres giebt es noch eine Menge Völkerschaften, welche sich auf der untersten Stufe der Bildung befinden, und sie tauschten deshalb wahrhaftig nicht mit den Genüssen unserer Civilisation, am wenigsten mit dem Zustande unserer Arbeiter. Hingegen hat schon mancher gebildete Reisende Jahre lang unter ihnen zugebracht, und sich recht gut unter ihnen gefallen (1), und das will viel sagen, wenn man erwägt, wie schwer es den an verfeinerte Genüsse gewöhnten Menschen ist, in den natürlichen Zustand der Befriedigung derselben zurückzukehren. Aber was es dem civilisirten Menschen erleichtert, unter einer Gesellschaft von Wilden — will sagen Naturmenschen — zu leben, das ist der Zustand von Freiheit und Gleichheit, den er da besser repräsentirt findet; und den er in seinem Vaterlande vergebens suchte; und umgekehrt: eben diese Ungleichheit der Stände ist es, welche dem Naturmenschen so zu wider ist, und an welche er sich trotz aller Bequemlichkeiten des Lebens nicht gewöhnen kann. Könnten die englischen Weber mit ihren Familien davon und unter die Wilden laufen, so würden die Fabrikstädte in kurzer Zeit verlassen seyn, und die Herren könnten dann ihre Webstühle selber treiben, wenn sie nicht anständig zahlen wollten oder könnten. Wenn es irgend einmal eine Zeit gäbe, wo unsere wohlgenährte (1) Ein amerikanischer General brachte freiwillig 2 Jahre unter den Wilden zu und lief nackt wie sie unter ihnen umher. Bei einer Auslösung der Kriegsgefangenen von Seiten der Franzosen und Araber in Algier weigerte sich die Mehrzahl der Ersteren zurückzukehren. Der französische Gouverneur mußte sie mit Gewalt zurückfordern. Herrchen keine andere Wahl hätten, als 12—14 Stunden zu arbeiten, oder sich in die Urwälder Amerika’s transportiren zu lassen; ich glaube, es würde nicht Schiffe genug geben für die Aufnahme aller derer, die den Transport der Arbeit vorziehen würden. Einigen gefällt der heutige Zustand der Gesellschaft recht gut; sie können gar nicht begreifen, wie er besser seyn könnte. Ja aber fragt einmal die große Mehrzahl um ihre Meinung auch; denn der Wille derselben wird auch früher oder später einmal wieder entscheiden. Diese überwiegende Mehrzahl ist mit dem heutigen Zustand der Gesellschaft nicht zufrieden. Sie weiß wohl, daß es irgendwo fehlt, kann aber nicht sagen wo. So wollen wir ihr denn zu beweisen suchen, daß das an dem Begriffe des Eigenthums liegt, welcher nicht mehr mit den Bedürfnissen der heutigen Gesellschaft vereinbar ist. Der Begriff des Eigenthums paßt nicht mehr für unsere Zeit, weil jede Zeit ihr eigenes Bedürfniß hat, das Eigenthum aber dem unsrigen ganz entgegen ist; warum, werde ich gleich sagen. Es gab einmal eine Zeit, wie wir gesehen haben, wo noch Niemand daran gedacht hatte, ein Stück Land für seinen alleinigen Gebrauch zu bearbeiten und es sein Eigenthum zu nennen. In einer spätern Zeit fingen Einige an, sich Stücken Landes anzueignen und es Eigenthum zu nennen. Das war kein Unrecht, kein Verstoß gegen die Erhaltung der Gesellschaft; denn Jeder konnte damals dasselbe thun, an Land fehlte es nicht. Heute aber ist der Boden ganz und gar vertheilt, es giebt fast kein Stück Land, das nicht einen Herrn oder Eigenthümer hätte, und eine bei weitem größere Menge, die kein Eigenthum hat. Zu welcher Zeit war es nun, als man das letzte Stück freies Land nahm und ihm einen Eigenthümer gab? Ich weiß es nicht; genug, es hat einmal in Deutschland eine solche Zeit gegeben, wie in England und Frankreich. Es ist vielleicht schon sehr lange her, daß in diesen Ländern der letzte Rest vertheilt wurde; nun ist es aber auch aus mit der Theilung. Die es jetzt haben, die haben es und benutzen es zu ihrem eigenen Vortheil, und also zum Nachtheil der Gesellschaft. So lange als jeder Mensch Eigenthümer werden konnte, wenn er wollte, so lange war das Eigenthum auch der Gesellschaft nicht schädlich. Damals waren der Menschen so wenige in unseren und anderen Gegenden, daß sie gar nicht einmal einen richtigen Begriff von der Ausdehnung der Länder hatten; seit der Zeit haben wir uns aber bedeutend vermehrt, und vermehren uns noch immerfort; der Boden aber bleibt immer derselbe, paßt denn darum die vor 1000 und mehreren Jahren gemachte Vertheilung des Bodens auf unsere Zeiten? Nein! denn heute, wo es Millionen giebt, die gar kein Eigenthum haben, ist der Besitz des Eigenthums ein gegen die Gesellschaft verübtes Unrecht geworden, ein unverzeihlicher, schändlicher Diebstahl. Als man die Erfindung des Eigenthums zuerst machte, war sie, wie schon gesagt, zu entschuldigen, sie benahm Niemanden das Recht, auch Eigenthümer zu werden; denn es gab noch kein Geld, statt dessen aber Land genug. Von der Zeit an aber, als es Menschen gab, die in die Unmöglichkeit versetzt waren, Eigenthümer zu werden, bloß auf dem Grunde, weil Andere für sich schon Alles in Anspruch genommen hatten, als schon aller Boden an Einige gerissen war, und diese Einige Andern die Genüsse des an sich gerissenen Eigenthums verwehrten, war das Eigenthum ein Eingriff in die natürlichen Rechte der Gesellschaft, ein liebeloser, brudermörderischer, die Würde der Menschen und seine Bestimmung entehrender Akt geworden. Die Ansichreißung großer oder kleiner Striche Landes konnte nur so lange moralisch zu entschuldigen und erlaubt seyn, als jeder Mensch Freiheit und Mittel hatte, auch große und kleine Stücken Landes für sich zu bebauen. Von der Zeit an, daß das nicht seyn konnte, war das Eigenthum auch kein persönliches Recht mehr, sondern ist vielmehr ein himmelschreiendes Unrecht, und das um so mehr, als es die Ursache des Mangels und des Elends Tausender ist. Diese Wahrheit ist so klar wie die Sonne. Macht eure Gefängnisse und Zuchthäuser auf, sage ich euch, es sind viele ehrliche Leute darin. Macht sie auf und saget ihnen: Ihr wußtet nicht, was das Eigenthum sey, wir wußten es nicht; laßt uns miteinander diese Mauern, diese Hecken und Gitter wegreißen, diese Gräben ausfüllen, damit die Ursache unserer Trennung verschwinde und laßt uns wieder Freunde seyn. Die Beibehaltung des Begriffes von Eigenthum in der heutigen Gesellschaft ist der Mord einer Menge Arbeiter und darum nach den Begriffen der christlichen Liebe auch ganz und gar nicht zu vertheidigen; ja, diese Vertheidigung wird selbst für den wahren Christen entehrend wie der Brudermord; sey er nun durch Gift, Dolch oder Hunger verübt, durch eine gewaltsame oder listige Entziehung der Lebensmittel. Der Wilde, der nicht arbeitet, weil er es nicht nöthig hat, bedarf zu seinem Unterhalte wenigstens den Raum einer Stunde Weges im Quadrat, unsere Urväter lebten auch einmal in einem solchen Zustande; Deutschland aber hätte in demselben nicht mehr als ungefähr 30,000 Menschen nähren können, heute sind es tausendmal mehr und noch darüber und der Boden ist noch immer derselbe, haben die 34,000,000 nicht noch dasselbe Recht an den Boden wie die früheren 30,000? Wenn diese sich Gesetze des Eigenthums machten, welche Niemanden verwehrten, Eigenthümer zu seyn, wenn er nur zugreifen wollte und nehmen, ist es denn damit gesagt, daß deswegen dieselben Begriffe von damals auch dem Zustande der heutigen Gesellschaft zweckdienlich sind? Nein, dieser Boden gehört uns Allen und unsern Nachkommen allen; er kann nicht an einige Wenige, er kann und darf an gar kein Individuum vertheilt werden. Er ist für Niemanden ausschließlich, sondern für uns Alle. So bald der Mensch erkennt, daß Elend, Mangel und früher Tod nicht dem Zufalle, sondern der Abweichung der Gesellschaft von den Gesetzen der Natur und christlichen Liebe zuzuschreiben ist, so muß er es laut verkünden, daß ist seine heiligste Pflicht. Hier schweigen und Furcht zeigen, wäre der schändlichste Mißbrauch der Gaben Gottes, der feigste Verrath am Menschengeschlecht, und das unedelste Betragen, dessen sich ein Mensch schuldig machen kann. Also lasset uns nicht mehr schweigen, sondern das Wort der Wahrheit hinausrufen in die Welt. Vereiniget eure Stimme mit der unsrigen, ihr edlen Menschen, denen noch ein erhabenes Gefühl für das Große und Schöne, für die Erhaltung und Veredlung des Menschengeschlechts im Busen wohnt, die ihr eure Tage- und Nachtwachen der Wohlfahrt der Gesellschaft gern zum Opfer bringt. Vereiniget eure Stimme mit der Unsrigen ihr Verkünder des Gebotes der Nächstenliebe auf den Kanzeln und in den Schulen, und lasset uns mitsammen rufen: Das Eigenthum ist die Ursache alles Uebels! — Erlöse uns Herr von dem Uebel. Den Begriff des Eigenthums legte man der Menschheit in seiner Wiege an. Es war ihr ein ungewohntes eisernes Mieder, obgleich ihre zarten Formen hinein paßten. Aber das Kind nahm zu und je mehr es wuchs, je unwohler befand es sich darunter. Nun aber löset es ihm bald ab, denn schon hat es in sein gepreßtes Fleisch blutige Streifen geschnitten. Was, ihr zögert noch Chinesen? — Der eingebildeten schönen Form zu lieb wollt ihr den ganzen kräftigen Körper verkrüppeln? aus dem kräftigen Herrn der Schöpfung eine zierliche Puppe und eine willenlose Maschine machen? Wo Einzelne in Folge der Entbehrung und Erschöpfung sterben, ist das Eigenthum ein Raubmord! Wenn nun in eurer Gesellschaft das Erstere der Fall ist, so wißt ihr, wo ihr die Raubmörder zu suchen habt. So fremdartig nun auch den gutmüthigen Eigenthümern dieser Ausdruck vorkommen mag, so müssen sie doch bei reifer Ueberlegung die darin enthaltene Wahrheit erkennen. Wohl können sie ihr Gewissen beschwichtigen und sagen: "Wer arbeiten will, wer Lust zur Arbeit hat und sonst ein geschickter Arbeiter ist, findet überall sein Brod." Das ist ziemlich wahr; indeß das Brod ist auch öfter darnach. Wenn nun aber alle Menschen geschickte Arbeiter wären, wie würde es dann stehen? Würde alsdann der Eigenthümer, um Allen Arbeit geben zu können, freiwillig die Arbeitszeit verkürzen? — Gewiß nicht. Wie würde es also als dann anders seyn? Würden die Geschickten alsdann nicht auch aus Arbeitsmangel ins Elend sinken und sterben oder durch die Erschöpfung zu strenger Arbeit erkranken, gerade so wie heute? Der Unterschied wäre der, daß dieses Schicksal alsdann lauter geschickte Arbeiter beträfe, während heute die Ungeschickten diese Lage mehr fühlen. Das Loos des Elends trifft heute nicht ausschließlich den Ungeschickten. Es breitet sich über alle Klassen der Gesellschaft aus, welche von ihrer Hände Arbeit leben müssen. Die Masse der Arbeiter ist aber heute so groß, daß die Eigenthümer eine große Wahl darunter haben. Sie haben nicht nöthig, allein auf Geschicklichkeit zu sehen, sondern auch auf Gunst. Wieder Andere werden sagen: Was! ich habe mein Eigenthum ehrlicher Weise erworben, das soll ich nun etwa gar mit dem Bettelvolk theilen, das nichts gelernt hat, nicht in der Welt herum gekommen ist, das lieber gefaullenzt und gesoffen als gearbeitet hat? Das ist so ein Lirum Larum, was man häufig sagen hört; jedoch nur von Menschen, welche nicht die feichteste Idee der Gemeinschaft haben. Sie glauben, das solle Alles vertheilt werden, Jeder ein gleiches Stück Land bekommen, man wolle ihnen ihre Güter darum mit Gewalt nehmen. Diese alte, abgenützte Einwendung hört man oft. Habt kein Furcht, ihr Zusammenkratzer, euch soll nichts mit Gewalt genommen werden. Wenn man euch das nähme, was ihr Eigenthum nennt, dann hättet ihr ja weniger, als unsere Bettler. Wir wissen wohl, daß euer ganzes Herz von dem Eigennutze umlagert und erfüllt ist. Es giebt andere Mittel, die gewiß der Egoistischste von euch nicht unmoralisch nennen wird. Die Anwendung dieser Mittel aber wird eure Habsucht und euer Ehrgeiz selbst beschleunigen. Nun will ich versuchen, die Erfindung des Grundeigentums näher zu erklären. Dem ersten Gedanken des beweglichen Eigenthums folgte bald der Gedanke des unbeweglichen Eigenthums, d. h. der Eintheilung des Bodens. Der Mensch hatte in Wald und Thal noch immer hinreichend Nahrung für sich und seine Heerden gefunden; aber der Zufall fügte es zuweilen, daß sich ihrer mehrere in ein und dasselbe Thal mit ihren Heerden drängten, wo sie dann, statt Ueberfluß an Frucht und Weide zu finden, die besten Früchte schon abgeerndtet, die besten Weiden schon abgegraset fanden. So geschah es denn, daß das Herumsuchen nach Früchten und Weide dem Menschen anfing beschwerlich zu werden, und zwar in den besuchtesten Gegenden zuerst, weil die zur Erhaltung des Menschen nöthigen Bedürfnisse da zuerst selten, und das Aufsuchen derselben dem Menschen zuerst beschwerlich wurde. Dies veranlaßte Einige, entferntere, weniger von Menschen besuchte Gegenden auszusuchen; Andere aber kamen auf die Idee, einen Strichs Landes aufzulockern, und die Körner einer ihnen zur Nahrung dienenden Frucht hinein zu säen. Dies war die Erfindung des Ackerbaues. Stellen wir uns den ersten mit der Auslockerung und Besäung eines Strich Landes beschäftigten Menschen, und seine ihn dabei angaffenden und ausfragenden Nachbarn vor. Ob er nicht auch von Manchem verlacht, verspottet und für thöricht gehalten wurde? — Sehr wahrscheinlich! eben so wie unsere Ideen von Manchem heute zu Tage. Durch die Erfindung des Ackerbaues hatte die Natur den Menschen den ersten Fingerzeig zur Gemeinschaft und Association gegeben. Sie schien ihm sagen zu wollen: Siehst du nicht das kleine Saamenkorn dieser Pflanze, die dich nährt; dies ist das Mittel der Vermehrung derselben. Wenn es reif ist, fällt es auf’s Gerathewohl auf den Boden, wo es die Thiere und Vögel des Waldes auslesen, die Dornen und Disteln ersticken, die Wasser hinwegspülen, die Winde verstreuen, und so dir einen zehnfachen Genuß rauben. Gehe hin, hebe diese Steine weg, leite diese Wasser ab, rotte diese Dornen und Disteln aus, lockere den Boden auf und wirf diese gesammelten Körner hinein, weder zu gedrängt noch zu zerstreut, damit jedes der aussprießenden Pflänzchen seinen Theil Raum, Licht und Nahrung habe. Der Erfinder that, wie die Natur ihm eingegeben und die junge Saat schoß auf, dem Auge eine Freude und dem Herzen eine Wonne. Wenn früher die einzeln stehenden Halmen der Sturm knickte, so blies er jetzt darüber hin wie über einen goldfarbenen See. Einzeln hätten sie seinen Stößen nicht widerstanden; allen zusammen kostete es nur eine sanfte Beugung und sie waren gerettet und erhalten. Manches einzeln stehende Bäumchen liegt nach dem Sturme geknickt am Boden, während das Kornfeld unbeschadet die vom Sturm geschüttelten vollen Aehren wieder zur Sonne erhebt. Die Erfindung des Ackerbaues war der Fingerzeig, durch welchen die Natur den Menschen auf die Vortheile der Gemeinschaft und der Vereinigung aufmerksam machte. In der heutigen Ordnung des Individualismus wird der Saame der Idee der Gemeinschaft von den Steinen des Anstoßes erdrückt, unter den Dornen das Leiden erstickt, und die jungen Pflänzchen vereinzelt den Stürmen des Schicksals ausgesetzt. Und der Mensch überblickt verzweifelnd das rauhe unfruchtbare Feld; die Erfindung einer bessern Bearbeitung des Bodens der gesellschaftlichen Ordnung ist gemacht; aber Wenige wagen sich an die beschwerliche Arbeit. Wozu denn jetzt noch zögern! Auf an’s Werk! laßt und wegheben diese Steine, ausrotten diese Distel, umhauen und ausgraben diese Stämme und den Gewässern der menschlichen Leidenschaften eine andere Richtung geben, damit sie, anstatt dem Gedeihen der jungen Pflanzen zu schaden, demselben vielmehr nützlich und nothwendig werden. Der Erfinder hatten seinen Boden aufgelockert und seine Fruchtkörner hineingeworfen, die Nachbarn hatten ihn zugesehen, ihre Fruchtkörner aufgegessen und den Erfinder ausgelacht; aber der junge Saame schoß auf, die Erndte reifte, die Nachbarn staunten und das Vorurtheil schwieg. Von der Erfindung des Ackerbaues war jedoch die Notwendigkeit der Arbeit unzertrennlich. Von jetzt an hätten sich’s die Menschen recht fest einprägen sollen: Wer nicht arbeitet, soll nicht von den Früchten der Arbeit genießen; aber sie begriffen diesen Zustand der Arbeit selbst noch nicht, er war ihnen noch nicht zur Last geworden. Drum war es ihnen auch nicht eingefallen, eine Pflicht daraus zu machen, auch was die Hauptsache ist, die Arbeit war im strengen Sinne des Worts dem Menschen doch noch nicht nothwendig. Es war gleichsam die Uebergangsperiode vom Zustande der Nomadenvölker zu dem der Ackerbautreibenden. Es war das erste Mal, daß der Mensch seinen Fuß auf die unterste Stufe der Civilisation setzte. Die Erfindung hatte Beifall und Nachahmer gefunden. Bald wurde an mehreren Orten der Boden urbar gemacht; aber beim Erndten stellten sich Unannehmlichkeiten in den Weg, an die die ersten Ackerbauer nicht gedacht hatten. Zur Erndte fanden sich gewöhnlich Helfershelfer ein, die an der Bebauung des Bodens keinen Theil genommen hatten, und das Resultat war dann, daß Einige für Alle gearbeitet hatten. Dies brachte die Menschen auf den Gedanken des Werthes der Arbeit, und Einige fingen an, den unberufenen Schnittern zu wehren. Es gab Streit und Schlägerei und die Worte Mein und Dein wurden jetzt von den Ackerbautreibenden häufiger ausgesprochen. An die Wörtchen gewöhnte man sich immer mehr und mehr; der Werth und die Notwendigkeit der Arbeit wurde dadurch anerkannt. Die Ackerbauer verbanden sich endlich miteinander zur gegenseitigen Sicherung des Genusses ihrer Arbeit; doch arbeiteten sie nicht mitsammen, sondern Jeder bestellte ein Stück Land nach seinen Gelüsten und Bedürfnissen. Indeß bald erhoben sich neue Schwierigkeiten. Oft kam im andern Jahre ein neuer Adept der Arbeit und des Ackerbaues, säete, aber statt sich ein Stück Land urbar zu machen, auf das vorgefundene, schon urbar gemachte Land. Daraus entstanden neue Wirren, neue Konflikte. Was, hieß es, ich habe das Land im Schweiße meines Angesichts urbar gemacht, und du kommst darauf zu säen. Das Land ist mein! fügte er hinzu, drehte sich aber schamroth um, vor seinem eigenen Ausspruch erschreckend. Das Land ist mein! hallte das Echo nach. Ist sein? frug der bestürzte Saemann. Mein, sein und unser wiederholten die horchenden Nachbarn. Das Eigenthum war erfunden, und anerkannt. Späterhin benutzten ganze Stämme die neue Erfindung, theilten einen Strich Landes unter sich und schlossen einen Vertrag, die gemachte Aneignung gemeinschaftlich mit einander zu behaupten. Nun langte auf einmal Alles nach dem bis dahin frei gebliebenen Boden sammt seinen Früchten. Jeder fand im Ueberfluß, was er brauchte. Darum fand auch die Erfindung des unbeweglichen Eigenthums keinen Widerspruch. Das Gesetz paßte ganz für die damalige Zeit, aber nicht für die unsere. Jedes Gesetz entsteht aus den Bedürfnissen der Zeit, und wie diese sich beständig verändern, so müssen sich auch die Gesetze verändern. Die Heilighaltung alter Gesetze bloß darum, weil sie alt sind, ist die Ursache des Rückschrittes oder des Aufenthalts der Menschheit auf der Bahn des Fortschrittes. Eine vollkommene Gesellschaft hat keine Regierung, sondern eine Verwaltung; keine Gesetze, sondern Pflichten; keine Strafen, sondern Heilmittel. Viertes Kapitel.Die Erfindung der Erbschaft.Hat man ein Haus auf schlechten Grund gebaut so giebt es immer daran etwas zu repariren; man kann es stützen und stemmen wie man will, man ist nie sicher, daß nicht irgendein Ereigniß, ein Windstoß, ein Erdbeben oder eine Ueberschwemmung es Einem über dem Kopf zusammen fallen macht. Da wird denn gewöhnlich mit Balken, Kalk und Steine nachgeholfen um den Einsturz so lange als möglich zu verhindern, anstatt es gleich von Grund auf wieder einzureißen; so auch mit dem Eigenthumsbegriff. Es dauerte gar nicht lange so fanden sich durch das Absterben der Eigenthümer die Wirren immer verwickelter, besonders wenn diese bei Lebzeiten keine Schenkung ihres Eigenthums gemacht hatten. Selbst diese Schenkungen wurden öfter von den Kindern oder mächtigern Nachbarn des Verstorbenen bestritten. Dieser Unordnung abzuhelfen dachte man auf Mittel und fand eines, das der Erbschaft. Nach dieser neuen Idee ging nun das Eigenthum des Verstorbenen, wenn derselbe es bei Lebzeiten nicht anders bestimmt hatte, in gerader Linie auf seine Kinder über; die Gesellschaft schloß über diesen Punkt einen Vertrag welcher zum Gesetz geheiligt wurde, und die aufschießende Generation wurde angehalten dieses Gesetz zu befolgen . Somit waren die Streitigkeiten um den Besitz des Eigenthums wobei immer der Stärkere den Theil des Löwen an sich riß geschlichtet, und dem Eigenthumsbegriff Zeit gelassen sich immer fester in die gesellschaftliche Ordnung einzuwurzeln, damit es ja recht schwer halte und recht Mühe koste ihn wieder auszurotten. Wie sehr man sich Mühe gab den Begriff von Eigenthum und Erbschaft der Jugend beizubringen, und wieviel Mühe es kostete sie daran zu gewöhnen, beweiset unter andern die Geschichte der alten Deutschen. Diese führten die Kinder zu den Marken der Aecker, zeigten sie dieselben und prügelten sie dabei recht durch, damit sie sich den Begriff des Eigenthumsrechts ja recht fest einprägen sollten. Dies ist Beweis genug daß der Mensch nicht schlecht geboren ist, wie Einige behaupten, wenn es solche Mühe kostet ihm den Begriff des Eigenthums einzuprägen. Durch die Erfindung der Erbschaft wurde nun dem Eigenthumsbegriff gleichsam die Krone aufgesetzt. Wie die Maden des Insektes in die Frucht, so fraßen sich die Nachkommen der Eigenthümer mit Hülfe des neuen Gesetzes in das Eigenthum und die Produkte desselben ein, und verzehrten und verdarben die Frucht ohne ein anderes Verdienst zu haben als das, daß die Alten beliebt hatten sie darin auszubrüten. Die Folge davon war daß Jeder sich soviel Eigenthum zu verschaffen suchte als nöthig war, um mit seinen Nachkommen ein gemächliches müßiges Leben führen zu können. Hatte das Eigenthum in seinen Folgen Herren und Sklaven gemacht, so erzeugte es jetzt auch noch Faullenzer, damit ja der Uebel immer noch mehrere würden. So bestraft sich eine fehlerhafte von den Gesetzen der Natur abweichende Ordnung. Der erste Sohn der das Eigenthum seines Vaters erblich übernommen hatte, und dadurch in den Stand gesetzt wurde zu leben, ohne zu arbeiten, muß doch jedesmal schamroth geworden sein, sobald er von irgend einem Kameraden hörte daß er seinen Unterhalt und Wohlstand seiner Hände Arbeit zu verdanken habe. So ein junger Mensch den das Erbschaftsgestz zum Faullenzer gestempelt hat, kommt mir immer vor wie ein Stein der mitten am Wege liegt und den die Wanderer umgehen müssen wenn sie sich nicht daran stoßen wollen. Je kräftiger man auf der Reise ist je weniger achtet man darauf und je müder man wird desto ärgerlicher ist einem das Ausweichen, stößt man aber gar den müden Fuß daran so könnte man an ihm sein Müthchen kühlen wenn es kein fühlloses unbehülfliches Ding wäre das gar nicht Schuld daran ist wenn Andere ein Aergerniß an ihm nehmen. Aber den Straßenaufseher sollte man auf den Buckel steigen, die Verwaltung zum Teufel jagen und eine andere, bessere einsetzen, die fähig ist jedem Stein den rechten Platz zu bezeichnen. Das Bemerkenswertheste ist nun daß alle diese fehlerhafte Einrichtungen der Gesellschaft, die ungleiche Vertheilung der Arbeit, die Erfindung des Eigenthums und die des Erbschaftsgesetzes, für die erste darin anfwächsende Generation keine so üblen Folgen hatte als für die zweite, und daß die Uebel der gesellschaftlichen Organisation sich um so mehr vergrößern je länger sie sich verjähren, daß also diese Gesetze der Gesellschaft weniger zur Zeit ihrer Einführung nachtheilig waren, sondern es vielmehr erst durch ihre Verjährung wurden. Versuchen wir uns dies deutlicher zu erklären: Denken wir uns eine kleine Insel von deren Produkten 10 Menschen ohne Arbeit leben können; denken wir uns diese 10 Menschen vermehrten sich um das dreifache und wären folglich nach Maaßgabe ihrer Vermehrung genöthigt auf Mittel zur Sicherung ihres Unterhalts auf der kleinen Insel zu denken. Das geeignetste Mittel diesen Zweck zu erreichen, ist die Vervollkommnung der nothwendig gewordenen Arbeiten, und die geregelte Vertheilung derselben. Wenn die 10 ersten Inselbewohner früher die in Wald und Thal einzeln stehenden Früchte gesammelt, und davon gelebt hatten, wenn sie das Wild schössen so wie sie der Hunger dazu trieb, so ging das wenn sie sich vermehrten so nicht mehr fort. Das Wild und die Früchte verminderten sich, es trat Mangel ein, dem abzuhelfen sie nachsinnen mußten. Sie bearbeiteten also den Boden weil sie gefunden hatten, daß wenn sie auf diese Weise die nützlichen Früchte aufzogen, sich ihre Mittel zum Lebensunterhalt vervielfachten. Zu gleicher Zeit pflegten sie der Thiere wie der Pflanzen und hielten sich Heerden. Auf diese Weise gewannen sie dem Boden immermehr Produkte ab je mehr sie sich vermehrten. Hätten aber die ersten 10 Bewohner das ganze Land der Insel unter sich vertheilt, und eben so jeder Einzelne dasselbe wieder unter seine Nachkommen, was währe dann in einer gegebenen Zeit wohl daraus geworden? Gerade ein solcher Zustand als wie der heutige; um so mehr sich die Familien Einzelner vermehrt hätten, um so mehr hätte sich das Erbtheil der Nachkommen derselben vermindert; die Arbeit der Besitzlosen wäre zum Vortheil der Besitzer vermehrt worden, und Jeder hätte um seinen Unterhalt zu sichern, zu Kriecherei, Gewalt und List seine Zuflucht nehmen müssen. Wenn sich nun diese Bevölkerung bis auf 100 vermehrt hätte, und die 10 Reichsten derselben hätten zu 10 Andern gesagt: werdet unsere Bediente, so sollt ihr zu essen haben, und zu wieder andere 10 von den Kräftigsten: beschützt das Gesetz des Eigenthums, und zu noch andern 10: verwaltet unsere Vorräthe, und zu wieder andere 20: baut uns Schlösser, Mauern und Gräben, macht uns Waffen, Luxusgegenstände u. d. g. so wären doch auf diese Weise 50 Menschen für die besondern Vortheile der 10 Reichsten beschäftigt worden; 10 Andere wären als Kinder oder Greise zur Arbeit unfähig gewesen, und der Rest von 30 hätte um zu leben, sich aller ihm von den Uebrigen gemachten Bedingungen fügen, und außerdem mit dem geringsten und schlechtesten Theil der Bedürfnisse zufrieden sein müssen. Hätten sie sich beklagt so hätte man ihnen die Arbeit entzogen und sie hungern lassen, hätten sie gestohlen so hätte man sie ins Loch geworfen, und wären sie aufrührerisch geworden so hätte man ihnen die Waffen anderer trauriger Sklaven entgegenhalten lassen. Fügt zu diesem Gleichniß noch das Geldsystem so habt ihr einen Ueberblick des Zustandes der heutigen Gesellschaft. Seit Jahrtausenden geht das Eigenthum der Reichen durch Erbschaft an ihre Kinder über, wie die Armuth des Armen an die seinigen; könnte man denn da nicht einmal wechseln? Nein! denn damit wird nichts verbessert, wenn der oder jener würdige Mann ein Vermögen in die Hand bekommt, sondern wenn Niemand eines bekommt, oder was dasselbe ist, wenn Jeder der Erbe des ganzen Landes ist. Ob die Erde dann nicht das wirkliche Eigenthum Aller wäre wenn Niemanden der Eintritt in ein Land, eine Stadt und ein Haus versagt wird, und wenn es Niemanden giebt, der über einen Theil der zum Unterhalt Aller nöthigen Produkte nach seinen alleinigen Vortheil verfügen kann? Fünftes Kapitel.Die Entstehung der Kriege.Die Streitigkeiten wurden nun immer ernster, und arteten in blutige Kämpfe aus; hauptsächlich darum, weil man aus der Führung der Waffen nach und nach ein Handwerk gemacht hatte, und dieses Handwerk den freiheitsliebenden Naturmenschen mehr zusagte, als die ungleiche, ungeregelte Arbeit. In diesen Kämpfen blieb es nun nicht bei der Beraubung der beweglichen Güter, sondern man nahm sich einander auch den zum Eigenthum Einzelner gewordenen Boden, und nannte das eine Eroberung. Um von dieser Eroberung den gewünschten Nutzen zu ziehen, vertrieb man die Eigenthümer desselben oder ermordete sie sammt ihrer Familie. Die Furcht der Beraubung ihres Eigenthums drängte nun die Eigenthümer immer mehr zusammen, und lehrte ihnen, zu ihrer Aller Erhaltung, ihre persönlichen Interessen in den Tagen der Gefahr schweigen zu machen. Je länger diese Gefahr nun mehreren Stämmen drohte, je mehr blieben sie mit einander verbunden, um sie abzuwehren, und so gewöhnten sie sich durch eine genauere Bekanntschaft mit einander durch die daraus entstehende Gemeinschaft der Sprache und Sitten sich als eine besondere Gesellschaft zu betrachten, und so entstanden die Völker. Wie nun jeder Einzelne gegenüber dem Einzelnen seine besonderen Interessen hatte, also hatte auch jeder Stamm anderen Stämmen, jedes Volk anderen Völkern gegenüber seine besonderen Interessen; das persönliche Interesse überbot jedoch alle andern. Man hielt zu seinem Volke, wenn das persönliche Interesse durch ein anderes Volk mehr gefährdet wurde, und man kämpfte gegen dasselbe, wenn das persönliche Interesse darin einen größern Vortheil sah. Durch die beständigen Feindseligkeiten der Völker gegen die Völker, welche die Bewaffneten in der Aussicht auf Raub und Plünderung immer mehr nährten, hatte sich nach und nach eine Kluft gebildet, welche Volk von Volk trennte, indem sie sich von einander entfernt hielten. Diese Trennung so nahe wie möglich zu bezeichnen, nahm man die Natur zu Hülfe und erfand die Grenzen. Diese Grenzen wurden nun auch Eigenthum, das Eigenthum eines Volkes, das sich nun, um ja nicht mit dem Nachbarvolke verwechselt zu werden, durch eine besondere Kleidung, eine besondere Sprache, Sitten und Gebräuche auszeichnete. So hatte denn der Begriff des Eigenthums das scheußlichste, den Menschen unter das Thier herabsetzende Ungethüm, den Krieg, in die Welt gerufen, um seinen Basiliskenblick an die zuckenden Herzen der Menschen zu weiden. Nicht die wildesten Bestien der Wälder wüthen so gegen ihr eigenes Geschlecht als der Mensch; jene selbst gegen andere Thierarten nicht, als um sich zu nähren. Die Menschen aber ziehen zu Hunderttausenden hinaus mit Sang und Klang in die blühenden Felder, deren Früchte die Räder ihrer Wagen und der Huftritt ihrer Rosse zermalmen, sich einander in wildem Jubel den Todesstoß gebend. Ein fürchterlich wildes Marionettenspiel, voller Trümmer, Blut und Leichen. Da rede man noch von einem Ebenbilde Gottes in Gegenwart der Beweise solcher schauderhaften Verrücktheiten; der Mensch ist kein Ebenbild Gottes, wenn er seine besten Jugendkräfte auf die Zerstörungskunst anwendet; ein Ebenbild Gottes übt sich nicht zum Mord. Wenn man den Menschen betrachtet und bedenkt, welch ein zarter, zerbrechlicher Körper das ist, welche Sorge, Mühen und Fleiß man anwendet, um ihm, wenn er krank geworden, wieder die Gesundheit zu schenken; wie zart er behandelt werden muß; wie viele Geduld er selbst, der Arzt und seine Wärter haben müssen; und wie er in seiner Krankheit so zahm wird; und aus diesem Prospektus auf einmal überspringt in das Bild der Schlachten und des Krieges, welche fürchterliche Maschinen er ersonnen, um den schwachen, zarten Körperbau zu zerstören: so möchte man bald an dem Daseyn seiner Vernunft, die ihn vor den Thieren auszeichnet, zweifeln. So viel ist gewiß, wenn ihn der Gebrauch dieser Vernunft von der einen Seite über das Thier erhebt, so erniedrigt er ihn von der andern Seite oft unter dasselbe. Nun, werden Einige sagen, der deklamirt auch gegen den Krieg, wo sollen denn die Menschen alle hin, wenn ein langweiliger ewiger Frieden einträte. Da würden sie sich ja auf die Letzt so sehr vermehren, daß sie gezwungen wären, sich selbst einander aufzufressen. Zuerst ist hier zu bemerken, daß die heutigen Kriege die Zunahme der Bevölkerung nicht durch den öffentlichen gegenseitigen Todschlag verhindern; wenn sie der Uebervölkerung einen Damm entgegensetzen, so ist es nicht durch die Menge der in den Schlachten gefallenen Opfer, sondern vielmehr durch das Dahinsterben ganzer Bevölkerungen in Folge des Elends und der Hungersnoth, welche der Krieg über dieselben geführt hat. Das Morden auf dem Kampfplatze vermindert die Bevölkerung nicht; denn die Opfer, die da fallen, sind männlichen Geschlechts, können also wohl zeugen, aber nicht gebären; ja, wenn einmal die Weiber zu hunderttausenden sich einander abwürgen würden, dann würden die Bevölkerungen auf eine erschreckliche Art abnehmen. Wenn heute auf einmal vier Fünftheile von den Männern von dem Erdboden verschwänden, so wäre die Bevölkerung in 100 Jahren immer dieselbe, die sie gewesen wäre, wenn die Zahl der Männer komplett geblieben wäre; denn die Weiber würden schon zusehen, jedes ihren Theil zur allgemeinen Fruchtbarkeit beizutragen; das ist ein Naturtrieb, der läßt sich nicht ersticken. Die einzige Folge einer bedeutenden Verminderung des männlichen Geschlechts wären Veränderungen im Gesetze der Ehe, oder wohl gar die Abschaffung derselben. Sonach ist es doch erwiesen, daß der Krieg, wie er jetzt geführt wird, ein unzureichendes und schädliches Mittel ist, die Uebervölkerung zu verhindern, von welcher wir übrigens noch lange nichts zu befürchten haben. Erst laßt uns nur die Bevölkerung der Erde noch um das fünffache vermehren, und wenn das geschehen ist, und die Menschheit sieht daß etwas geschehen muß, um der Uebervölkerung einen Damm zu setzen, dann ist es immer noch Zeit, denn da ist den Augenblick abgehelfen, da brauchst erst keine lange Vorkehrungen, die doch nichts nützen, sondern einfache kräftige Mittel, die zugleich dienen, die menschliche Race zu verschönern und zu veredeln. Wenn die Menschheit im Zustande der Gemeinschaft die Periode erreicht, in welcher sie für nöthig hält, Maßregeln gegen die Uebervölkerung zu nehmen, dann werden in der Gesellschaft die wichtigsten Reformen vorgehen; dann ist die Zeit nicht mehr fern, wo die meisten Krankheiten verschwinden werden, und wo das menschliche Geschlecht seinen ursprünglichen kräftigen Körperbau, Wuchs und Gestalt wieder erhalten wird; die Zeit, wo keine lebendigen Schatten, keine krüppelhaft oder mit Krankheiten geborne Wesen unter uns herum schleichen, und ihre Schwächen den künftigen Generationen in ihren Kindern vererben werden; die Zeit, wo die Spitäler verlassener stehen werden als jemals, und wo mit den körperlichen Krankheiten auch die Quelle der geistigen immer mehr versiegen wird. Der Krieg ist ein Uebel, aber kein für immer nothwendiges. Wenn wir nach ihm verlangen, so ist das nur in der Hoffnung, das Ende unserer Leiden zu sehen, und wenn unsere Bedrücker jetzt nach ihm verlangen, so ist das um ihre Genüsse und Vorrechte zu vermehren. Gesetzt auch, daß die Natur gewollt habe, daß sich der Mensch, da er kein stärkeres lebendes Wesen über sich hat, sich selbst abwürge, um seiner Vermehrung einen natürlichen Damm zu setzen, und gesetzt, die Anwendung dieses Falles würde in spätern Jahrhunderten eben so nothwendig als heute das Abschlachten des Viehes zu seiner Nahrung, so braucht es dazu nicht des planlosen Todtschlagens seiner kräftigsten und nützlichsten Glieder, das auch gegen alle Moral ist. Welcher Unsinn, den Krieg für ein nothwendiges Uebel halten zu wollen, weil er die Uebervölkerung vorzubeugen im Stande ist! Ganze Armeen Kinder aufzuziehen, ihren Verstand, den sie in der Geburt noch nicht hatten, zu entwickeln, um sie dann, wenn sie herangewachsen sind, und der Gesellschaft die mit ihnen ausgestandenen Mühen vergelten und ihr wieder nützen können, sich einander abwürgen zu lassen! Sorgen wir darum nicht um des Kaisers Bart, der wird ihn schon abschneiden, wenn er zu lang ist. Halten wir den Krieg für ein Uebel, aber für kein für immer nothwendiges, und suchen wir ihn nur als ein Gegengift gegen andere größere Uebel zu benutzen; denn so lange die Ungerechtigkeit auf Erden herrscht, ist der Krieg nothwendig, muß ihr der Krieg gemacht werden; darum sagte Jesus: Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert! Sechstes Kapitel.Die Entstehung der Sklaverei.Der Krieg schleppte in seinem Gefolge die schrecklichsten, dem Menschen bis dahin unbekannt gebliebenen Uebel nach sich. So hoch der Mensch auf der Stufe der Bildung und über dem Thiere steht, so tief sinkt er wieder in mancher Beziehung unter demselben zurück. Eines dieser schrecklichen Uebel war die Sklaverei. Da die Arbeit überhaupt angefangen hatte, dem Menschen beschwerlich zu werden, und der Krieger sie verachtete, so kam man auf die Idee, aus den in den Kriegen gemachten Gefangenen, statt sie umzubringen, den größtmöglichsten Nutzen zu ziehen. Man legte sie in Ketten, vertheilte sie unter die Krieger, und diese zwangen sie für sie zu arbeiten, ihren Acker zu bebauen, ihre Hausgeräthe und andere nützliche Gegenstände für sie zu verarbeiten. Dafür wurden sie genährt, hatten aber keinen Willen, als den ihrer Herren. Hier trat dieses gehässige Wort zuerst recht hervor; bisher hatte der natürliche Trieb des Menschen sich immer noch gescheut, dieses Wort auszusprechen, mit der Sklaverei jedoch verstummte jedes leise Gefühl der Bruderliebe in dem unter der Eisrinde des Eigennutzes und der Herrschsucht erfrorenen menschlichen Herzen. Zuerst hatte der Mensch seine Hand nach den Thieren des Waldes ausgestreckt und sein Lästermund das Mein dabei ausgesprochen; dann griff er nach dem Boden und seinen Produkten und sprach: Das ist mein Eigenthum. Jetzt legte er auch noch die Hand an sein Ebenbild, um es mit seinem erschrecklichen Mein den Thieren des Waldes, dem Boden unter seinen Füßen und dessen Produkten gleich zu machen. Konnte der Mensch wohl tiefer sinken? Der Herr nicht, aber der Sklave wohl, wie wir später hören werden. Wenn ihr mir nur von eurem Ebenbilde Gottes schwieget; man kann sich so leicht an solche verhöhnende Ausdrücke gewöhnen. Nein! der Mensch ist kein Ebenbild Gottes; Unwissende und Spötter haben diesen Schnörkel erfunden, und unsere Eitelkeit hat ihn für baare Münze genommen. Weg da Sklave! Marsch fort Eigenthümer, und du Herr! Nein ihr seid kein Ebenbild Gottes, nicht wahr, nein? — Sie antworten nicht! — Sie haben mich verstanden. Nun laßt uns fortfahren: Lasset dem Eigennutz einmal den Zügel schießen, so hat er keine Grenzen mehr. Bis auf den Menschen selbst hatte sich also jetzt der Begriff Eigenthum ausgedehnt. Nichts war mehr sicher, dieser Benennung zu entwischen, ja selbst die Götter nicht; denn bald hieß es nicht mehr unsere, sondern meine Götter, nicht mehr unser Gott, sondern mein Gott. Wenn sie die Luft auch noch verteilen könnten, würden sie es thun. Doch steigen wir zu den Menschen wieder hinunter, den von seinen Brüdern zum Eigenthum und Sklaven gemachten Menschen. Die ungleiche Vertheilung der Arbeit hatte die Verachtung derselben und den Hang zur Trägheit erzeugt; der Hang zur Trägheit erzeugte die Sucht nach Beute und diese die Liebe zum Krieg. Man wollte also lieber sich einander todtschlagen, als für sich und Andere arbeiten. Da indeß die Kriege nur vorübergehender Epoche waren, und man das Bluthandwerk damals noch nicht für seine ganze Lebenszeit betreiben konnte, so war man nach demselben doch wieder gezwungen, wieder zu arbeiten, und das eroberte Land zu bebauen. Dieser Mühe überhoben zu seyn, erfand man also die Sklaverei. Der Mensch wurde jetzt von dem Menschen dem Thiere gleich gehalten und mit Stock und Peitsche zur Arbeit getrieben. — Aber merken wir es uns wohl: er wurde dafür doch genährt. Von dieser Zeit an gab es zweierlei Menschen, Menschen, die arbeiteten, und Menschen, die nicht arbeiteten. Herren und Knechte. Heute giebt es viererlei Menschen in der Welt: 1) Menschen, die ein nützliches Geschäft betreiben; 2) Menschen, die ein unnützes Geschäft betreiben; 3) Menschen, die gar nicht arbeiten; und 4) Menschen, die ein schädliches Geschäft betreiben, oder: ehrliche Leute, Affen, Umsonstfresser und Schurken. Die Sklaven von damals hatten für ihren Herren keinen höheren Werth, als den des Viehes. Man ließ sie sich vermehren und benutzte ihre Kinder wieder als Sklaven. Man brachte sie zu Markte und tauschte sie gegen Vieh oder andere Gegenstände ein. In solch einen schrecklichen Zustand wurde die Menschheit durch die Erfindung des Eigenthums gestürzt. Da sieht man, welche reißende Verheerung die nimmersatte Habsucht machen kann, wenn man ihre Wasser nicht künstlich abzuleiten versteht. Der Mensch selbst, der vernünftige Mensch wurde sammt seinen Anlagen und Kräften ein Eigenthum der ungerechten Menschen. Und dabei blieb es nicht. Das war nur erst das Vorspiel des großen Elends, das über die Menschheit heraufbeschworen wurde. Man raffinirte immer feiner und listiger, ja, man raffinirt immer noch über die Vervollkommnung der Mittel, aus dem Marke des Elends der Einen Honig für die Genüsse der Andern zu pressen. Ach! unglückliche Menschheit, du bist noch lange nicht am Ziele deiner Leiden! deine Tyrannen lassen die Mark- und Thränenpresse so bald und so leicht noch nicht fahren. Hast du noch Mark, Blut und Thränen, so halte dich bereit zum Abzapfen; denn deine Stünde schlägt. Du hast Abscheu vor der Marter und drängst dich doch herzu; denn du hast Hunger, und du wirst ja dein Mark nicht ganz verlieren. Den wässerigsten Theil davon wird man dir zur Speise reichen. Dein Blut und deine Thränen brauchst du nicht umsonst zu vergießen, man wird mit einer Mischung derselben dir deinen trockenen Gaumen feuchten. Ha, wie sie sich drängen um den Mark-, Blut- und Thränenverlust! — Einige sind abgewiesen, die hatten kein Blut mehr in den Adern, kein Mark mehr in den Gliedern, und keine Thränen mehr, ihr Schicksal zu beweinen. Da! aus ist’s mit ihnen, sie stürzen. Hui da! zehn Andere ersetzen sie wieder; junge Leutchen mit frischen Gesichtern. Na! ihr werdet den Molchen eine willkommene Beute seyn. — Der hat es für diesmal überstanden. Rühme dich nur noch lange deiner Marter, elender Sklave; pfui dir in’s Gesicht! — —Nein! nein! Gott sey dem armen Burschen gnädig! Du willst Herr seyn über deines Gleichen, zweibeiniges, vernünftiges Ungeheuer, willst an Grausamkeiten den Panther und die Hyäne übertreffen, und deine falschen heuchlerischen Blicke, deinen Katzenkopf zum Himmel richten; der Gottheit gleichsam zum Hohn und deinen Fähigkeiten zur Schande. Nieder mit dem Blick, zur Erde, so lange noch ein Laut des Jammers aus den Höhlen der Sklaverei hervordringt, so lange die Glut der Morgensonne noch eine Märtyrerthräne röthet, so lange sich noch ein Seufzer der Unterdrückung in die süßen Töne der Freude mischt. Und du auch! Sklave! zu Staube gekrochen! Was! den Blick, den du schüchtern und furchtsam vor deinem Herrn niederschlägst, getraust du dich frech gen Himmel zu richten? Soll sich der Himmel in deiner Schande spiegeln? Siebentes Kapitel.Die Entstehung des Handels.Durch die Erfindung des Ackerbaues vervielfältigten sich die Genüsse des Menschen, mit der Zeit gewöhnte er sich an dieselben und sie wurden ihm nun zum Bedürfniß. Nach den verschiedenen Neigungen der Menschen waren diese Bedürfnisse nun sehr verschiedener Art und eben deshalb war es auch eben so die Arbeit zur Hervorbringung derselben. Der baute vorzugsweise Getreide, ein Anderer Hülsenfrüchte, ein Dritter Obst, ein Vierter Kräuter u. s. w. Die Bebauung des Ackers selbst erforderte die Anfertigung von Ackergeräthe, und da sich nun in der Verfertigung derselben Einer vor dem Andern auszeichnete, da wieder Mancher deren mehrere im Vorrath gemacht hatte, die einem Dritten mangelten, dem es an der nöthigen Uebung fehlte, sie eben so geschickt zu machen; da überhaupt Einer immer vor dem Andern in irgend einer Arbeit mehr Uebung erlangt hatte, und doch Jeder von den von Allen hervorgebrachten Produkten entweder nöthig, oder doch das Verlangen hatte sie zu besitzen, so fing man an, die verarbeiteten Gegenstände, so wie die Produkte des Ackerbaues gegen einander auszutauschen. Da tauschte man nun Ackergeräthschaften gegen Getreide, Obst gegen Hülsenfrüchte, Kleider gegen Waffen u. s. w. Den Werth jeder dieser Produkte bestimmte weniger die daraus verwandte Arbeitszeit, als vielmehr der Ueberfluß oder der Mangel, die Quantität und Qualität derselben. Mit der Anerkennung des angemaßten Bodens als Eigenthum waren natürlicherweise auch die Produkte desselben Eigenthum geworden. Da nun auf diese Weise die Arbeit des Menschen dem Zufall in die Hände gegeben war, weil Niemand sie regelte, weil Jeder dieselbe als das Mittel zur Erwerbung seiner persönlichen Bedürfnisse und Genüsse betrachtete, so nahm man es auch nicht so genau, wenn das Mittel, das der Eine anwendete, um diesen Zweck zu erreichen, dem Mittel und dem Zwecke des Andern schadete. Die Einen speicherten die besten Materialien zum Häuserbau, zur Verfertigung von Ackergeräthen und Waffen auf ihrem Eigentum auf, damit die Andern recht Mühe haben sollten, für ihren eigenen Gebrauch davon zu finden, um dann genöthigt zu seyn, dieselben gegen andere Produkte von den Aufspeicherern mit Verlust auszutauschen. Im Tausch selbst suchte man sich gegenseitig zu überlisten, prieß ein Produkt als gut an, das schlecht war, und erweckte auf diese Weise ein gegenseitiges Mißtrauen. Dabei blieb es nicht. Die Geprellten suchten sich zu rächen, und nahmen, gewaltsamer Weise, was ihnen die Andern übervorteilt hatten, und noch mehr dazu. Daraus entstanden Zänkereien, Kämpfe, Blutvergießen und Mord. So war denn mit dem Eigenthum auch der Diebstahl und der Raubmord erfunden worden. Beide Erfindungen waren von einander unzertrennlich. Das Eigenthum war die Mutter des Diebstahls und des Raubmordes! Bald jedoch überzeugten sich die Menschen von den Schrecken dieser neuen Uebel. Man ergriff also Maßregeln dagegen, und machte Gesetze, welche das Eigenthum der Einen heiligten, und die Mittel, welche sie angewandt hatten, um dazu zu kommen, bei Andern bestraften. Die verschiedenen persönlichen Interessen gruppirten die Menschen immer feindlicher gegeneinander. Um den neuen Gesetzen Kraft zu geben, bedurfte es starker Vertheidigungsmaßregeln. Es drängten sich daher die Eigenthümer nahe aneinander; man umzog das Eigenthum mit Hecken, Mauern und Gräben. Auf diese Weise entstanden Städte und Burgen. In den verschiedenen Kämpfen, die nun eine Burg mit der andern, eine Stadt mit der andern führte, gingen viele Menschenhände für die Bearbeitung nützlicher Gegenstände verloren. Während man das Eigenthum vertheidigte, während man Mauern, Gräben und Burgen baute, Waffen schmiedete u. dgl.; während man in den Kampf zog, mußte man die nützliche Arbeit liegen lassen; diese selbst wurde also durch den durch die Vertheidigung entstehenden Zeitverlust noch vermehrt. Die Arbeit fing darum schon an, dem Menschen eine Last zu werden, deren Druck ihm nur die Gewohnheit in Etwas verwischte. Der Tauschhandel breitete sich indeß immer weiter aus, je mehr die Menschen aus entferntern Gegenden Produkte brachten, die bis dahin unbekannt geblieben waren. Solche fremde Produkte, wenn sie das erstemal in einer Gegend erschienen, wurden vortheilhaft ausgetauscht, und erweckten so den Eifer Anderer, auch diese Produkte in fernen Gegenden aufzusuchen, um auf diese Weise einer gleichen Vermehrung des persönlichen Interesses zu genießen. Man machte jetzt Reisen in bis dahin noch unbekannte Gegenden, unter noch unbekannte Menschen. Dadurch lernte man eine unzählige Menge bis dahin unbekannter Produkte kennen und vermehrte auf diese Weise wiederum die Genüsse und die Arbeit. Einige dieser Produkte eines fremden Bodens suchte man einheimisch zu machen; es gelang, und bisher unbebaute Gegenden, die nichts hervorbrachten als Holzäpfel, Schleen, Rüben und ein wenig Getreide, verwandelten sich jetzt in blühende Gärten, in welchen Wein und Südfrüchte gediehen. Aber die Arbeit zur Hervorbringung dieser Produkte war nicht Jedermanns Sache, eben weil sie, wie wir schon gesagt, nicht geregelt war; weil ihr eine Menge Menschenhände durch die Hervorbringung unnützer, durch die fehlerhafte Organisation der Gesellschaft aber, nöthig gewordener Arbeiten entzogen wurde. So fing denn die Arbeit an, eine Last zu werden und Jeder dachte auf Mittel, sich diese so wenig als möglich aufzubürden. Die Kühnsten und Stärksten griffen zu den Waffen und machten aus der Kunst, sie zu führen, ein Handwerk. Der Raub wurde jetzt im Großen getrieben, wie der Handel. Das Reisen der Karawanen in entfernte Länder wurde unsicher gemacht durch zahlreiche nach Beute herumschwärmende Räuberhorden. Dies machte die Erhaltung einer Anzahl Bewaffneter zum Schutze der Karawanen gegen den Ueberfall der Räuberhorden, oder den freiwilligen Tribut eines Theils der Waaren an die Letztern nöthig. Der dadurch entstehende Verlust wurde nun aber theilweise wieder beim Umtausch anderer Produkte berechnet, so daß es doch nur eigentlich die Hervorbringer dieser Produkte waren, welche den Verlust hauptsächlich fühlten. Durch die Erweiterung des Tauschhandels geschah es nun, daß mancher Unternehmer in den Besitz vieler Güter gelangte. Durch den Besitz derselben bekam der Eigenthümer aber einen großen Einfluß auf die persönlichen Interessen der weniger Begüterten; es hielt ihm daher nicht schwer, deren Interessen an die seinigen zu ketten, und so gewöhnte man sich daran, den Werth eines Individuums nach seinen Gütern zu bestimmen. Man fing an, dem Begüterten mehr Respekt zu erweisen, in der Hoffnung, dadurch sein Wohlwollen zu erwerben, und durch dasselbe einen guten Tausch mit ihm machen zu können, oder sonst einen andern Vortheil durch ihn zu genießen. Je höher der Grad der Achtung war, den man dem Begüterten zollte, desto tiefer sank der Unbegüterte in den Augen der Massen. Der Eigennutz fing an, seine zarten Wurzeln in dem Begriff des Eigenthums auszubreiten, und der Genius der Gleichheit floh die Werkstätten der Menschen, und flüchtete sich, um sich zu rächen, unter die Räuberhorden der finstern Wälder und weiten Wüsten. Von der Zeit an nannte man alles gestohlene Gut Eigenthum, und den Austausch der gestohlenen Güter Handel. Achtes Kapitel.Die Erfindung des Geldes.Die immer gesteigerten Bedürfnisse der Menschen und die dadurch vermehrte Produktion der Arbeiten, hatten den Tauschhandel bedeutend vervielfältigt und erweitert. Durch die Vermehrung und Vervielfältigung der Produkte entstanden vielfache Verwickelungen und Irrthümer im Austausch derselben. Der Eine hatte Leder zu Markte gebracht um Werkzeuge dafür einzutauschen, der aber der die Werkzeuge austauschen wollte, brauchte oft kein Leder sondern Holz oder Eisen; der das Eisen vertauschen wollte weder Werkzeuge noch Leder, sondern Stoffe, oder Früchte, oder sonst dergleichen Waaren. Dadurch wurden der Bequemlichkeit des freien Austausches bedeutende Hindernisse in den Weg gelegt. Um diese nun zu heben kam man auf eine neue Erfindung nämlich die des Geldes. Man nannte Gold und Silber edle Metalle, und schlug sie zu kleine Stücke auf welche man die Bildnisse der Mächtigsten prägte. Diese Stücke Metall, denen man einen eingebildeten Werth gegeben hatte, dienten nun als Werthbestimmung der umzutauschenden Waaren. Auf diese Weise also bekamen diese Stücke einen Werth den sie nicht hatten, und welcher sich je nach den Launen, dem Glück und der List des Besitzers oder Erwerbers vermehrte oder verminderte. Welche fürchterliche Folgen diese neue Erfindung in spätern Zeiten für den gesellschaftlichen Zustand hervorrufen würde, war dem Erfinder des Geldes gewiß eben so unbekannt als dem Erfinder des Schießpulvers die Folgen der seinigen, ja noch unbekannter als diesem, denn der konnte wohl von der nützlichen und schädlichen Anwendung seiner Erfindung eine Idee haben, Jener aber weder das Eine noch das Andere, am wenigsten das Letztere. Früher zwang man den Sklaven mit der Peitsche zur Arbeit. Der Sklave war durch den Begriff des Eigenthums ein erbeutetes, getauschtes, oder geerbtes Gut geworden; er hatte also einen Werth wie der Ochs, der Esel und das Pferd, und zog daher denn Eigenthümer wenn er ihn verlor einen Verlust nach sich. Seit der Einführung des Geldes hat der Mensch gar keine Werth mehr, nicht einmal den des Viehes, und man dürfte getrost den Menschenhandel in Deutschland, England und Frankreich erlauben, man würde nicht viel Geschäfte damit machen. Der Mensch hat in diesen Ländern den Preis verloren, um ein Stückchen Brod kann man ihn haben, und noch dazu einen recht frischen, jungen kräftigen Menschen, und hat alsdann auch noch die Wahl, und Dank und Handkuß oben ein. Damals hatte jeder Eigenthümer ein Interesse daß sein Sklave nicht zu stark angestrengt wurde, weil er befürchtete er möchte ihm sonst krank werden und sterben, was er als einen Verlust betrachtete wie wenn heute zu Tage Einem ein Pferd stirbt; jetzt schindet man sie bis aufs Blut um von ihren Kräften Vortheil zu ziehen; und wenn sie dann krank, alt und schwächlich werden, so jagt man sie zur Werkstatt, zur Fabrik und zum Hause hinaus, um sie nicht mehr nähren zu müssen, und draußen stehen sie schon zu Haufen und drängen sich hinein in die Marterhöhlen, aus welchen ein Opfer nach dem andern wankt, so wie ihre Kräfte verbraucht sind. Oft hat es nicht die geringste Mühe, für die beschwerlichsten Arbeiten eine Heerde dienstwilliger Sklaven zu finden, man hat in manchen Gegenden und zu manchen Zeiten nur ein Stück Brod vor das Fenster hinaus zu hängen, so kann man sie zu Hunderten daran hineinziehen. Früher hatte der Herr des Sklaven ein Interesse diesem eine nahrhafte Kost zu geben, damit er Kräfte zur Arbeit habe, und so ihm desto mehr Vortheil bringen könne; jetzt giebt man ihnen für ihre Arbeit nur eben so viel daß sie nicht gleich vor Hunger umfallen und sterben. Auf diese Weise braucht man ihre Jugendkräfte langsam auf, und wenn sie verbraucht sind dann hinaus mit ihnen und andere Frischere herein, denen sie es dann eben so machen. Mit der Einführung des Geldes bekam der Zustand der Sklaverei eine ganz andere Richtung als die frühere war. Das äußerliche Gehässige derselben verbarg sich mehr unter dem Schatten von Verträgen und Gesetzen. Dem Nahmen nach wurde die Sklaverei in neuerer Zeit wohl theilweise abgeschaft, der Zustand derselben besteht jedoch in vieler Beziehung in einem noch schlimmern Grade fort. Ja! wenn wir nur drei Tage die Macht unserer Bedrücker hatten, wie wir dieser bunten Maskerade des Betrugs, der Ungerechtigkeit und der Täuschung ein Ende machen wollten! Da fällt mir gerade die Komödie ein die man seit einigen Jahren spielt, und die man Abschaffung der Sklaverei nennt. Die menschenfreundlichen Engländer figuriren darin oben an; dieselben die dem Chinesen gleichsam sagen: "ich will daß du diesen Opium nimmst um dich damit zu vergiften, und daß du uns den Thee dafür giebst damit wir unser Beufsteak leichter verdauen können. In entfernten Ländern verbieten sie den Sklavenhandel und im eignen wimmelt es von unglücklichen Sklaven die zu Tausenden Hungers sterben! Und überall macht man die gleichen Maskeraden, überall spielt man ähnliche Komödien. So gründet man auch Vereine zur Verhütung der Thierquälerei. Wenn ich Mitglied einer solchen thierfreundlichen Gesellschaft wäre, ich würde ihnen alle Tage zweibeinige Thiere als Ankläger vor die Augen führen, würde ihnen ihre abgemagerten Gerippe, ihre hohlen Augen und eingefallnen Wangen zeigen, und sagen: "Meine Herren! sehen sie das arme Thier! so schändlich ist es von seinem harten Herrn behandelt worden, vierzehn bis achtzehn Stunden des Tages hat er es arbeiten machen, und es dazu noch lieblos behandelt; und sehen sie da hier! das war seine ganze Nahrung! dabei hat es seine Jungen säugen, und von diesen Hadern sein Nest bauen sollen, um seine Jungen und seine alte Mutter zu erwärmen!— Was hätte mir der Präsident der thierfreundlichen Gesellschaft dann wohl geantwortet? — Welch beißender Spott! die theilweise Befreiung der Schwarzen eine Aufhebung der Sklaverei zu nennen, Vereine gegen die Thierquälerei zu gründen, und die Menschenquälerei nicht zu rügen!!!— Mit der Einführung des Geldes erreichte das Elend diesen fürchterlichen unabsehbaren Höhepunkt. Der Menschheit war eine Geißel geschaffen worden, deren Striemen tief in Herz und Mark eindrangen. Der Eigennutz hatte seine Grenzen weit über die Schranken des Gefühls der Selbsterhaltung ausgedehnt. Keine Schaam hielt sich mehr zurück; Regierende, Priester, Gesetzgeber, Lehrer, Richter, Räuber, Mörder, und Diebe, Alles streckte die gierige, unersättliche Hand nach dem Golde aus; Jeder glaubte sein zeitliches Glück darin suchen zu müssen. . Alle Mittel und Wege sich dieses Metall zu verschaffen wurden benutzt. Hunderttausende von Menschenleben wurden geopfert um es aus den Tiefen der Erde hervor zu holen in welche es die weise Vorsehung so sorgfältig versteckt hatte. Was die Uebermacht des Starken in frühern Zeiten nicht zu Stande bringen konnte, brachte jetzt die Verkäuflichkeit zu Stande. Früher war der Sklave doch versichert, von seinem harten Herrn immer Obdach und Nahrung zu erhalten, jetzt wurde er hinaus gestoßen in die peinliche Sorge, die den dritten Theil seines Lebens wegfrißt und seiner Physiognomie den Stempel des Elends aufdrückt, der ihn in den Augen seiner Bedrücker nur noch verächtlicher macht. Die Sorge kannte früher Niemand, selbst der Sklave nicht, und dem Arbeits- und Besitzlosen wurde immer noch ein nothdürftiger Theil, wenn ihm hungerte, denn die Gastfreundschaft war noch ein heiliges Recht. Aber mit der Einführung des Geldes verdunkelte der Rest schöner Tugenden der ursprünglichen Menschheit. Die nun ins Große betriebene Speculation der Habsucht erzeugte ein Heer von Lastern, die bis dahin unbekannt geblieben waren. Früher machte man den Menschen mit Gewalt zum Sklaven; jetzt verkauft er sich selber, seine Gesundheit, seine Jugend und sein Blut, für das, was man ihm Vaterland zu nennen gelehrt hat, und was soviel sagen will als die Gesammtheit alles Eigenthums und aller Eigenthümer in dem Lande, wo er geboren wurde und wo er und seines Gleichen nichts besitzt und eben so wenig Hoffnung haben, ja Etwas darin zu besitzen. Früher raubte man junge Mädchen und Weiber, tauschte und vertauschte sie wie das Vieh, entriß sie mit Gewalt den Armen ihrer Aeltern, Brüder und Gatten; das Geldsystem hat es soweit gebracht, daß sie sich selber an die Geldmänner verkaufen und Schönheit und Reize, so wie Tugend und Unschuld gegen das verführerische Gold der Wollust umtauschen. Aber sie müßten, wenn sie es nicht thäten, vielleicht am Hungertuche nagen und sterben, das aber will der edelmüthige Wollüstling nicht, sie sollen leben, leben um den Preis ihrer Schande, von welcher öfter Väter, Mütter, Gatten und Brüder auch noch ein Stückchen Brod essen. — Früher stahl und raubte man einander die materiellen Bedürfnisse des Lebens, unter dem Geldsystem ist außerdem auch Niemand seiner Ehre und seines guten Namens mehr sicher. Der schimmernde Glanz des verlockenden Goldes machte Tausende von Heuchlern und Schmeichlern vor den Mächtigen dieser Erde in den Staub kriechen. Die natürliche männliche Seele verwandelte sich in eine Hundeseele! — Hundeseele? Nein! nicht doch! das ist doch wenigstens eine treue Seele, so eine Hundeseele. Ich finde keinen Vergleich unter den Thieren, der Schmeichler steht tief unter denselben. Der ehrliche, gerade, offene Mann, der solch einem Auswuchs der Verworfenheit auf dem Wege der Kriecherei und Niederträchtigkeit nicht folgt, wird verachtet und verspottet, verfolgt, mißhandelt und verurtheilt. Früher wurde Niemanden eine Handvoll Frucht von dem Felde des Nachbars verwehrt, um das dringende Verlangen des Hungers zu stillen; jetzt durchziehen hagere, verlumpte Gestalten, zwischen deren Backenknochen man in tiefen Furchen die vierte Bitte lesen kann, unsere Straßen. Für sie stehen wenige Thüren mehr offen. Was sollen sie thun, wenn die Erschöpfung ihren Gliedern den Dienst zur Arbeit versagt, stehlen? — Eure Gesetze haben es verboten, seit eure Vorfahren das Eigenthum und das Geld erfunden haben. Arbeiten können sie nicht mehr wie früher, seit ihre Kräfte abgenommen haben, oder sollen sie euch helfen, d. h. faullenzen, wir ihr? Da wolltet ihr wieder nicht mit ihnen theilen. Nun was soll denn mit ihnen geschehen? Wollt ihr sie nicht todtschlagen? — Ihr schaudert zurück; und doch muß Etwas für sie geschehen. Ihr denkt: Laßt sie betteln, wir werden ihnen dann und wann ein Stückchen Brod geben. — Aber ihr habt das Betteln auch verboten, weil es anfing, euch unbequem zu werden; nehmt euch in Acht, daß der Diebstahl euch dereinst nicht noch unbequemer wird: denn in einem blühenden Garten, voller der lieblichsten Früchte, Hungers sterben, das wäre ein Gemisch des größten Muthes und der größten Feigheit, für das ich keinen Namen finde. Wenn das Schreckbild des Mangels ein reißender Tyger wäre, der seine Beute schnell verschlingt, dann würde euer Geldsystem, euer Eigenthumsbegriff und alle die Mängel eurer gesellschaftlichen Ordnung bald zu Grabe geläutet werden; denn alle Welt würde sein Gebrüll von weitem erkennen. So aber ist es ein schleichendes Gift, welches den Körper nach und nach zerstört; man verblüht, wird schwach, siech, und stirbt, ohne die Ursache seines Untergangs zu ahnden. Es gab Verräther seit der Erfindung des Eigenthums, aber scheußlichere Verräther gab es nicht, als es seit Erfindung und Einführung des Geldes gegeben hat. Nur der damit verbundene Eigennutz läßt den Verrath den höchsten denkbaren Gipfel der Schande erreichen. Schändlicher Verräther! wer du auch seyst, der du diese Zeilen liest, sey verflucht und verdammt auf ewig! Unsere deutsche Jugend, die kein Vaterland hatte, und eines haben wollte mit den Andern, ruft dir mit Geisterstimme aus ihren finstern Kerkern zu: du hast uns von unsern Aeltern und Brüdern getrennt, so sey denn verflucht, du schändlicher Verräther und von den Brüdern getrennt auf ewig! Unsere deutschen Mädchen, deren Auserwählte im Gefängnisse seufzen, rufen dir mit gebrochenen Herzen zu; schändliches Scheusal! sey verflucht auf ewig! Unsere alten Väter und Mütter mit den grauen Haaren ballen in wilder Verzweiflung die Hände; du hast ihnen die einzige Freude und Hoffnung, die sie noch auf dieser Welt hatten, hast ihnen ihre einzige Stütze im Alter geraubt, und in einen dumpfen finstern Kerker werfen lassen. Wenn du noch einen kleinen Funken Reue fühlst, so gehe hin und wirf die dreißig Silberlinge auf den Tisch ihrer Richter, sammt deinem Aemtchen und Käppchen, und sage vor Gott und der Welt: ich habe gesündigt! hier ist euer Sündengeld, euer Sündenamt und eure Sündenkappe! ich will gehen Buße thun und mich bessern. In welchen Winkel des alten morschen Baues der gesellschaftlichen Ordnung unsere Blicke dringen, überall stoßen wir auf Verbrechen und Mängel, deren Ursachen die Ungleichheit ist, und das Mittel, diese Ungleichheit zu erhalten, das ist das Geld! Besuchet unsere Galeeren, unsere Zucht- und Arbeitshäuser, unsere Gerichtssäle, Armen- und Waisenhäuser, macht euch ein Verzeichnis von Allem, was ihr Uebel und Verbrechen nennt, und gehet jedem derselben ohne Vorurtheil genau auf den Grund, so werdet ihr finden, daß ohne das System des Geldes nicht der zehntes Theil dieser Uebel vorkommen würde. Was macht den Sohn des wohlhabenden Handwerkers zum Kaufmann, den Kaufmann zum Betrüger, den Betrüger zum Faullenzer und den Faullenzer zum eigennützigen hartherzigen Geizhals, der im Stande wäre, den Arbeitern für’s Geld die Haut herunter zu schinden, wenn er seinen Vortheil dabei fände? — Was Anderes als die Liebe zum Gelde? Was macht die aufgeputzten Töchter unserer wohlhabenden Handwerker die Nase rümpfen, wenn sie in den Fall kommen, mit einem Arbeiter sprechen zu müssen? Warum sehen sie ihn über die Achsel an, obgleich derselbe öfter geschickter und gebildeter ist, als der Vater der Zierpuppen, der doch auch Arbeiter war? Was sonst als das Geld! Woher kommt dieses freie, dreiste, ungezwungene Benehmen des Einen; diese blöde, schüchterne Haltung des Andern? — Weil der Erste Geld hat und der Andere keines! Warum auf einmal diese Furchen der Sorge auf der Stirn sonst zufriedener Gatten; diese plötzlich eingetretene Kälte und der daraus hervorgehende Unfrieden?—Eben darum, weil im Geldsystem die Menschen dem Zufalle des Glücks und Unglücks preisgegeben sind. Warum dieser empörende Unterschied der Klassen in der Gesellschaft, und das daraus hervorgehende widrige Bitten, Verweigern, Befehlen, Gehorchen; dieses gehässige Heucheln und schmeicheln, Verläumden und Verrathen? — Auch wieder des Geldes wegen, denn jeder verdorbene Mensch, jede feige und furchtsame Kreatur sucht durch diese erlaubten und begünstigten Laster irgend ein Interesse zu erreichen, und sollte es nur das seyn, einem Andern, dessen vortheilhafte Lebenslage man beneidet, heimlich zu schaden. Was erkältet das warme Gefühl der Freundschaft, und träufelt in den Hohn und Spott des Feindes ein beißendes bitteres Gift? — Das Geldsystem durch seinen Wechsel von Mangel und Wohlstand, von Ueberfluß und Elend. Was erregt Groll, Mißtrauen und Gleichgültigkeit unter Brüdern und Freunden? — Das Geldsystem, durch den Mangel der Einen, die dann glauben, die Andern können helfen und thun es nicht. Warum dies saure Gesicht des Einen, diese traurige Miene des Andern? Weil beide Geld zu fordern haben, das sie nicht bekommen können. Warum dieses scharenweise Dahinsterben der Kinder der Armen?—Weil es ihren Aeltern an den Mitteln fehlt, sie gehörig zu pflegen und weil das Geldsystem ihnen diese Mittel verweigert. Warum diese Ehrenbezeugungen gegen den eingebildeten Dummkopf im schönen Gewande, diese Verachtung des gebildeten Mannes in der ärmlichen Kleidung? — Dem Unterschied des Standes, dem Mangel und Ueberfluß des Geldes wegen. Warum werden diese Kinder, die gestern ungerügt einen Unglücklichen verspotten durften, heute von ihren viehischen Aeltern so erbärmlich geschlagen? — Des Geldes wegen, das sie heute verloren; die Bosheit derselben von gestern blieb auf den Pfennigfuchserverstand der säubern Erzieher ohne allen Eindruck. Warum warf dieses Mädchen dem häßlichen, dummstolzen Nimmersatt mehr Blicke zu, als dem jungen gebildeten Habenichts? — Weil sie gern heirathen möchte, und weil der Erstere Geld hat und der Andere keines. Aber der Stoffel merkt’s nicht, daß sein Geldsack das Gewicht der Entscheidung so tief in’s Herz seiner Schönen drückte, bis die Nachbarn ihm spöttelnd unter den Hut fühlen. Dann aber wird aus der Ehe eine Wehe, und aus der Komödie ein Trauerspiel, in welchem die Klagen und Seufzer des Schmerzes, das Geschrei der Verzweiflung und das Gebrüll des Zornes mit dem Rasseln der harten Thaler ein widerliches Konzert bilden. Das sind die Geldheirathen! — Wer heirathet, thut wohl, wer nicht heirathet, thut besser, sagte Paulus; und warum? weil er eben so wenig Geld hatte, als heute zu Tage die vielen armen Teufel. Hat sich ein Handwerker durch Glück und Speculation ein bedeutendes Vermögen erworben, d. h. hat er von seinen Arbeitern und Kunden den größtmöglichsten Vortheil zu ziehen gewußt, so wird meistens seinen Kindern schon von Jugend auf eine Verachtung des Arbeiterstandes eingeflößt. Dies liegt schon gleichsam in den Sitten aller Derer, welche eine bevorzugte Erziehung leiten. Wenn auch diese Verachtung nicht wissentlich gepredigt wird, so geht sie schon aus dem Unterschied der gesellschaftlichen Klassen, an welchen man die Jugend frühzeitig gewöhnt, hervor. Die Mütter besonders geben sich die größte Mühe, die Begriffe der Eitelkeit und des dummen Stolzes ihren kleinen Gänsen einzuprägen, und diese da würden dann um keinen Preis sich unter den Handwerkern um einen Mann umsehen, so lange sie noch Hoffnung haben, einen Andern zu bekommen; und warum? der Geringschätzung wegen, die auf dem Arbeiterstande haftet, des Geldes wegen, das Andere mit leichterer Mühe verdienen können. Und kann man ihnen dies verargen? Nein! weil die Sicherung des häuslichen ehelichen Friedens nur auf die Sicherung einer bequemen möglichst sorgenfreien Existenz gegründet werden kann. Wo die Existenz bedroht ist, ist alle Tugendübung nicht im Stande den Frieden und die Freiheit zu erhalten. Die Mädchen, die keinen reichen Mann bekommen können, wählen darum auch lieber unter den Angestellten, den Beamten, Krämern und andern halben oder ganzen Umsonstfressern, ehe sie ihre Wahl auf einen braven Handwerker richten. So wird das, was sich der glückliche Handwerker mit Hülfe seiner Arbeiter erwirbt, dem Handwerkerstande durch Heirathen entzogen und Leuten zugeschoben, die durch ihre Beschäftigung der Gesellschaft wenig oder gar nichts nützen. Wenn die Erfindung des Geldes die Bestimmung hatte, den gegenseitigen Austausch der Produkte und die zur Hervorbringung derselben nöthige Arbeitszeit zu regeln, warum ließ man dann nicht einen bestimmten Werth auf dasselbe prägen, als: Werth von einem Pfund Brod, einem Pfund Fleisch, Werth von einer Stunde Arbeit in der Erndte, Werth von einer Stunde Arbeit mit der Nadel, Werth einer Flasche Wein, eines Huhnes, einer Gans u. s. w. Ob man da eine Menge verschiedener Regentenköpfe mit Wappen, Kronen und Scepter darauf geprägt oder die Köpfe von Gänsen, Ochsen, Eseln und Schweinen, ob man da einen Scepter und eine Krone darauf setzt, oder das Bügeleisen und einen Hammer. Wenigstens wäre das Volk nicht so leicht uber’s Ohr zu hauen gewesen, wenn es auf den Münzen gelesen hätte: "Werth von einer Stunde Arbeit", und auf der andern Seite den Ambos, Hammer, Pfriem, Bügeleisen, die Säge, den Meißel, das Beil, den Zirkel u. s. w. Alles in einem Wappen zum Beweis, daß diese Arbeitsstunden einen gleich bestimmten Werth haben wie alle durch sie hervorgebrachten Produkte. Aber wie man alle Gesetze, welche die Interessen der bevorzugten Klassen berühren, so deutlich als möglich macht, so undeutlich und unbestimmt sucht man Alles zu machen, was das allgemeine Interesse betrifft. Als die Pharisäer an Jesus eine Ursache finden wollten, ihn entweder bei der Regierung als Rebellen gegen den Kaiser, oder beim Volke als einen Verräther, der dem Druck der Römerherrschaft das Wort redet, anzuschwärzen, und ihn hinterlistig frugen: Ist es recht, daß man dem Kaiser Abgaben giebt, ließ er sich eine Münze geben und frug sie, wessen Bildniß darauf sey; des Kaisers, antwortete man ihm. Nun, sagte er, so gebt dem Kaiser, was des Kaisers und Gott was Gottes ist. Ihr aber, sagte er weiter, sollt weder Gold noch Silber in euren Gürteln tragen. Der wollte denn doch auch nichts von dem Geldsystem wissen; darum ließ ihn das Geldsystem für 30 Silberlinge an das Kreuz schlagen. Früher konnte außer den Mächtigen und Starken nur der eine Herrschaft über seine Mitmenschen ausüben, welcher irgend ein bewegliches oder unbewegliches Eigenthum, als: Waarenlager, Heerden, Häuser und Grundstücke besaß; jetzt ist es den listigen Menschen viel leichter geworden, Bedrückungen und Uebervortheilungen gegen Andere auszuüben. Wenn jetzt Jemanden nach irgend einem Produkte der Arbeit gelüstet, so hat er nicht nöthig, sich gewaltsamer Weise einen Sklaven zu verschaffen, der ihm dasselbe verarbeitet, noch hat er nöthig, irgend ein anderes von ihm verfertigtes Produkt der Arbeit dafür anzubieten, er braucht nur zu verkünden, daß er Geld hat und kaufen will, so stehen ihm alle fleißigen und geschickten Hände, und alle talentvollen Köpfe zu Gebote. Da kann hernach der Arbeiter da stehen und die nützlichen Produkte seines Fleißes anbieten und schreien: Gebt mir auch von euren schönen Stoffen zu Kleidern, oder von euren Möbeln, ich gebe euch die Produkte meiner Arbeit dafür. Deine Arbeit, antwortet man ihm, ist nicht der schönen Stoffe und Möbeln werth, die sind nicht für Leute, die arbeiten, sondern für die, welche Geld haben. Die Minderschätzung des wahren Werthes der Arbeit war unter dem Systeme des Tauschhandels nicht so leicht möglich, als unter dem Systeme des Geldes, denn der jedesmalige Vergleich der auszutauschenden Produkte verhinderte meistens eine zu geringe Anschlagung derselben. Im Geldsystem vergaß der Arbeiter nach und nach den richtigen Vergleich über das Verhältnis eines für ein Stück Geld zu lieferndes, und ein dafür zu erhaltendes Produkt anzustellen. So geschah es, daß man bald gar keinen Vergleich mehr anstellte und das Geld für ein wirkliches Produkt der Arbeit nahm, dessen Werth der Geldmann fast unmerklich verringern und erhöhen konnte, je nachdem dieses seinem Vortheile zusagte. Das System des Geldes hatte für die Reichen und Mächtigen noch das bequeme, ihre verschiedenen Genüsse und Begierden augenblicklich befriedigen zu können, und zwar mit einer solchen Sicherheit und Leichtigkeit, als wäre dasselbe nur zum Vortheil des Müßigganges und der Herrschsucht erfunden. Die Begierden und Genüsse der bevorzugten Klassen wurden daher unter dem neuen Tauschsystem immer häufiger und unersättlicher, und mit Ihnen wurde die Last der Arbeit, und die Verschlechterung und Verringerung der Lebensbedürfnisse der untersten, arbeitenden Klassen immer fühlbarer. Dies ist auch ganz natürlich, denn wenn mehrere einen Baumstamm tragen und einer läßt absichtlich die Achsel darunter sinken, so fällt auf die Uebrigen die ganze Last; wenn ein Pferd am Wagen nachläßt im Ziehen, so müssen sich die Uebrigen desto mehr anstrengen; wenn sich Einer vorher die beste Brühe von der Suppe abgießt, so müssen die Uebrigen mit dem wässerigen Rest vorlieb nehmen. Es ist erschrecklich, welche Demoralisation das Geldsystem im Stande ist in der Gesellschaft anzurichten. So ein Geldhaufen kommt mir vor wie ein großer Taubenschlag; man läßt kleine Summen ausfliegen, damit sie andere größere einbringen, die man dann, so bald sie eingefangen, in Sicherheit bringt. So fangen sich einander die Speculanten die Kapitalien ab, wie die Taubenliebhaber die Tauben; und wie dem armen Landmann die letztern den Saamen von den Feldern fressen, eben so fressen ihm die Männer des Geldes mit ihren Steuern und Zinsen den besten Ertrag seiner Arbeit. Das dem Müßiggang, der Herrsch- und Genußsucht so behagliche System des Geldes wurde nun immer mehr vervollkommnet. Man hatte den Arbeiter an das Geld gewöhnt und an seine für ihn nachtheiligen Folgen, ohne daß er den Nachtheil selbst bemerkt hatte; man konnte also getrost weiter schreiten; man führte das Zinswesen ein. Um nämlich eine gewisse Quantität von Produkten auf einmal aufkaufen zu können, brauchte man oft mehr Geld als man hatte; gleichwohl wollte man den Ankauf des ganzen Vorraths nicht unterlassen, obgleich man ihn nicht brauchte, weil man durch dieses Aufkaufen ein Nachfragen nach den Produkten, ein Seltenwerden derselben, oder einen Mangel bewerkstelligen wollte, der dann erlaubte, einen beliebigen Preis für die Produkte zu fordern und so einen bedeutenden Gewinn aus ihnen zu ziehen. Man borgte sich also die zu solchen Speculationen fehlenden Gelder bei Andern, welche aber bei dem zu machenden Raub auch nicht leer ausgehen wollten, und sich einen Theil der zu machenden Beute unter der Benennung Zins für ihre Gefälligkeit ausbedingten. Wenn der Speculationsgeist des Menschen sich einmal den Eigennutz zum Tummelplatz seiner Leidenschaften gewählt hat, so kennt er keine Grenzen mehr; je mehr ihm eine schlaue Uebervortheilung des Andern gelingt, desto mehr treibt er sie in’s Große. Was der Mensch sieht, das will er haben und das ist ein ganz natürlicher und sehr guter Trieb, der ihm das Leben angenehm macht, wenn er nicht erstickt wird bei Einigen und genährt bei Andern. Welche Kinder naschen und stehlen am Meisten? Die welche man am strengsten hält, denen man Alles verbietet und wenig gewährt. Gebt ihnen Alles, was die Kinder der Andern auch haben, so werdet ihr euch keinen Vorwurfen machen haben, daß ihr den Hang zum Diebstahl bei ihnen genährt, und wenn sie dann später in der Gesellschaft doch Diebe werden, so liegt das eben an der Gesellschaft, die nicht Jedem die Mittel gewährt, Alles haben zu können, was ein Anderer auch hat, und nicht an euch. In der heutigen Gesellschaft gilt aber gerade der verkehrte Grundsatz. Wird aus einem jungen Menschen ein Dieb, so heißt es: "Da sind die Aeltern daran schuld, die haben dem Jungen allen Willen gelassen." Nein! das Geldsystem ist daran schuld, welches dem Einen erlaubt, so viel zu genießen und so wenig zu arbeiten als ihm beliebt, während es Andere zwingt, sich allen daraus entstehenden für sie nachtheiligen Folgen zu fügen. Warum lügt der Zeitungsschreiber, warum stiehlt der Dieb, warum betrügt der Kaufmann, und warum vertheidigt der Advokat eine schlechte Sache?— Alles des Geldes wegen. Warum schimpfen, schlagen und verklagen sich Kreditoren und Gläubiger, warum zanken sich Gesellen und Meister, Kunden, Krämer und Käufer?—Immer des Geldes wegen. Warum verfälscht der Wirth das Getränke, der Bauer die Milch und Butter, warum bäckt der Bäcker das Brod zu klein? — Alles des Geldes wegen. Warum bringt der Bauer unreife Früchte auf den Markt, warum verkauft der Fleischer das Fleisch kranken Viehes oder zu junger Kälber, warum bedienen manche Speisewirthe großer Städte ihre Gäste mit Pferde- oder Katzenfleisch?— Alles des Geldes wegen. Warum giebt es Leute die gegen ihre Pflicht, ihr Gewissen und ihre Ueberzeugung lehren, schreiben und handeln?— Des Geldes wegen. Wenn unsere unermüdlichen Gesetzfabrikanten nur Gesetzt machen können, dann sind sie in ihrem Elemente; mache man sie aber auf die Wurzel des Uebels aufmerksam, so machen sie gleich wieder neue Gesetze und neue Strafen um die Verbreitung der Wahrheit zu verhindern. Warum das? — Weil sie selbst sich von der Wurzel des Uebels mästen, und nicht den Muth haben einige ihrer besondern Vortheile dem Wohle der Gesellschaft aufzuopfern. Gegen die Begierde Alles haben zu wollen, was ein Anderer auch hat, sind die gröbsten Geschütze ihrer Gesetze gerichtet. Die welche das Geld haben laden und richten die Batterien der Gesetzt und Strafen gegen die welche es nicht haben. Die Folgen davon sind die gewaltsamen und listigen Beraubungen, welche sich die zu Schulden kommen lassen welche die Arbeit hassen, oder welchen sie nicht die nöthigen Mittel zu ihrer Erhaltung gewährt. Der Starke beraubt den Schwachen öffentlich, und giebt der Beraubung einen nicht vom Gesetz strafbar gemachten Nahmen, als: Kontribution, Steuer, Eigenthum, Speculation, Zins, Pfändung, Prozeßkosten, Lohnverkürzung, Wucher u. d. g. Der Schwache beraubt den Starken heimlicher Weise, und wird Betrüger, Dieb, Verfälscher u.s. w. In unsern Kriminalakten wimmelt es von schauderhaften und komischen Geschichten solcher gegenseitigen Beraubungen; ja die Weltgeschichte selbst ist nichts als eine große Raubergeschichte, worin die ehrlichen Leute zu allen Zeiten die Geprellten waren. Wenigstens die Hälfte unserer heutigen Ehen sind Geldspeculationen, worin Mitgift, Erbschaft, Hoffnung auf Aemter und frühen Todesfall eine Hauptrolle spielen. Trotz aller dieser unbestreitbaren Wahrheiten meinen einige Gelehrte: die Angriffe auf daß Geldsystem seien der Sache der Freiheit schädlich!!! Alles Blut und alle Thränen mit welchen das Volk bisher den welken Baum der Freiheit aufzufrischen gedachte waren umsonst, weil seine Krankheit tiefer steckt als man bisher wähnte. Bis zu seiner Wurzel Brüder laßt uns graben, denn da birgt sich die Larve des Eigennutzes, da frißt sie verborgener Weise das Lebensmark des jungen Baumes, und bringt ihn der Verwelkung nahe! — Verächtliches Metall! Ausfluß der Hölle! der du das Saamenkorn der Liebe in den Herzen der Menschen mit deinem siedenden Guß versengst wie der Sirokko die grünenden Matten paradiesischer Ebenen, möchte ein Wunder dich wieder in die Tiefen der Erde versenken, aus welchen dich der Eigennutz mit der Aufopferung des Lebens ganzer Völker hat hervorholen lassen! Unnutze Schlacke! an welcher das Blut von Millionen klebt, das den armen Arbeiter mit Weib und Kind den Tod des Elends sterben läßt, weil es dem Schwelger und Müßiggänger erlaubte das Fett von ihren Suppen zu schöpfen, und das Mark aus ihren Knochen zu saugen; das der Arbeiter in Thränen arbeitend und bittend empfängt, und mit Fluch und Thränen wieder ausgiebt, fort! verschwinde endlich aus der Gesellschaft, die dein Götzendienst entweihte! Dein funkelnder Glanz ist das Widerleuchten der bittern heißen Thränen der Armen, der Wittwen und Waisen. So bitter und heiß diese Thränen auf das Gepräge deines Fürstenbildes fielen, so haben sie dasselbe doch noch nicht erweichen können, denn es ist in ein kaltes Erz gegraben. Todtes Metall! dessen Zauberglanz den ersten Krieg entzündet, den ersten Dolch geschliffen, und das erste Schaffot gebaut, verschwinde aus unserer Mitte, damit Verzeihung, Sicherheit und Friede ihre Wohnsitze wieder unter uns aufschlagen! Falscher Götze! unter dessen Kultus die Schatten der Vorurtheile, des Aberglaubens und der Unwissenheit der Menschheit Aufklärung, Freude, Licht und Leben rauben, entweiche von uns mit deinen Lügenpriestern, damit der Mensch wieder wisse, daß er Mensch sey und nicht geschaffen ist, sich selbst zur Plage zu leben! Scheußlicher Klumpen, dessen sich die Ungerechtigkeit bediente, um das Heiligste zu verrathen, das Millionen in die Kerker warf und auf die Schaffotte schleppte, das einen Heiland an das Kreuz schlug, weil er seinen schädlichen Einfluß bekämpfte, sey verflucht von nun an bis zu ewigen Zeiten! Das Verblühen stolzer Manneskraft zwischen feuchten und finstern Kerkermauern ist dein Werk! Du hast die zitternde Hand des bleichen Verräthers mit deinem Gewichte beschwert und seine Zunge verhindert, ein "Führe uns nicht in Versuchung" zu stammeln. Du bist es, der diese hoffnungsvolle Jugend vor die Schlünde der Kanonen trieb, du hast sie gezwungen, kämpfend zu sterben, weil du ihnen verweigertest, arbeitend zu leben. Die Thräne der Wuth, die im Auge des greisen Vaters blitzt, die des Kummers und der Angst, welche das Brod der Mutter netzt, die heißen Perlen, die auf den Busen der armen verlassenen Schwester fallen, hast du ausgepreßt. Ha! wie sie weinen, stöhnen, klagen und jammern in ihren verborgenen Kammern, diese armen unglücklichen Geschöpfe und keine Hülfe! Wie sie sich drehen und wenden auf dem dürftigen Lager der Entbehrung, während da drüben die Freude in Sammet und seidenen Kleidern rauscht. Hier der herzzerreißende Schrei der Verzweiflung, dort der wilde Jubel der Ausgelassenheit. Hier die feine Damenwelt, widerleuchtend vom Glanz der Juwelen und Perlen, die Kleider beschwert mit den kostbarsten Spitzen; dort nicht einmal den Fetzen einer wollenen Decke, um das arme kranke Kind vor der Kälte der Jahreszeit zu schützen. Hier die feinsten Weine, um die Lippen der müßigen Welt zu begießen; dort den Wasserkrug dem nach des Tages Last und Hitze erschöpften Arbeiter. Hier weitläufige, reichgeschmückte Palläste für den Müßiggänger; dort dumpfe, finstere, stinkende Winkel für den Arbeiter. Hört ihr, wie sie Geld schreien, von einem Winkel der Erde bis zum andern? Der Fürst und der Räuber, der Kaufmann und der Dieb, der Advokat und der Betrüger, der Priester und der Charlatan, Alles schreit Geld! Und auch du, Bettler, schreist Geld? Sie wissen und merken nicht, daß ihre Stunde kommt, die Stunde, wo es eine Schande seyn wird, nach Geld zu schreien, und eine Sünde, welches erpressen zu wollen. Armer Bettler! bettle noch eine Weile fort mit deinem Bettlerverstande. Man hat dir in deiner Jugend dein Silber genommen, das du dir mühsam verdientest; geh! verlange von ihnen jetzt, da du nicht mehr arbeiten kannst, ihr Kupfer, weil du dich denn doch an die Pfennige gewöhnt hast, wie der Teufel an die Hölle. Es wird aber eine Zeit kommen, wo man nicht mehr schreien wird: Geld! Geld! sondern: kein Geld! kein Geld! Es wird eine Zeit kommen, wo man nicht mehr bitten und betteln, sondern verlangen wird. Zu dieser Zeit wird man große Feuer mit Banknoten, Wechseln, Testamenten, Steuerlisten, Mieth- und Pachtkontrakten und Schuldverschreibungen anzünden, und in das Feuer wird Jeder seine Börse werfen, der Arme sein Kupfer, der Wohlhabende sein Silber und der Reiche sein Gold. Zu dieser Zeit wird die Thränenfeuchte der Bruderliebe wieder in das vertrocknete Auge des Eigennutzes zurückkehren, das Herz des Lasterhaften wird sich von einem nie gekannten Tugendgefühle ergriffen fühlen und der Gottesleugner ein Dankgebet zum Himmel schicken. Heil Denen, welche diesen Tag erleben! In den Annalen der Weltgeschichte wird sich kein zweiter solcher finden; denn das wird der Tag der Erkenntniß und Versöhnung seyn! Dann, Bettler, brauchst du nicht mehr zu betteln, und du, Dieb und Räuber, nicht mehr zu stehlen, du, Kaufmann und Krämer, nicht mehr zu verfälschen und zu betrügen; denn der Mensch wird den alten Menschen ausgezogen haben und die Gesellschaft wie von Neuem geboren sein. Aber noch haben wir eine schwarze Kluft zu durchschreiten, ehe uns das holde Gestirn des Tages der Wiedergeburt der Menschheit lacht. Noch wird manche frische Lebenskraft sich in dumpfer Kerkerluft verhauchen, manches Auge und manches Herz wird brechen, mancher kühner Streiter fallen, ehe dieses in Erfüllung geht. Noch manchen wackern Verkünder des Prinzips der Harmonie und Freiheit wird das trügerische Netz des Mammons verstricken und seine jugendliche Thatkraft lähmen. Noch manchem armen erschöpften Wesen wird der bittere Mangel die letzten Lebenskräfte rauben, und das Elend die Wimpern feuchten; noch mancher alten Mutter wird die Sehnsucht nach dem einzigen, vom unerbittlichen Schicksal in die weite Fremde hinausgestoßenen Kinde das Herz brechen. Aber auch mancher feurige Verfechter der guten Sache wird Leben, Wohlstand, Hab und Gut in die Schanze schlagen, und sich in die durch Gefängnis, Elend und Tod gelichteten Reihen der Vertheidiger der Wahrheit drängen und durch seine Kühnheit und Ausdauer den gesunkenen Muth der Schwachen und Kleingläubigen wieder aufrichten. Noch manches verjährte Vorurtheil wird umgestürzt, mancher Zweifel beseitigt, und manche Wahrheit enthüllt werden, ehe das Reich der Harmonie und Freiheit beginnt. Zwei Wege sind es, die zum ersehnten Ziele führen; den geraden breiten und ebenen hat uns die Macht der Willkühr, der Herrsucht und des Eigennutzes verwehrt, und viele Mühen und viele Ausdauer sind nöthig, um auf dem schmalen und schlüpfrigen Pfad, den wir betreten, zum Ziele zu gelangen. Aber nur kühn vorwärts gedrungen Leidensgefährten, wir kommen doch dahin, und je größer die Mühe ist, desto süßer schmeckt der Lohn. Seht ihr die unabsehbaren Massen, die uns nachdringen? Wenn auch von beiden Seiten des Zuges die Geschütze der Tyrannei des Verraths und der Lüge Einige danieder strecken, unaufhaltsam dringen die Uebrigen nach, den Gefallenen tröstend zusprechend:
Kann dir die Hand nicht geben, Dieweil ich eben lad’; Bleib du im ew’gen Leben Mein treuer Kamerad. Also vorwärts Brüder! Den Fluch des Mammons auf den Lippen laßt uns die Stunde der Befreiung erwarten, die unsere Thränen in erquickende Thautropfen, die Erde in ein Paradies und die Menschheit in eine Familie verwandeln wird. Neuntes Kapitel.Die Entstehung der Titelkrämerei.Alle Kräfte des menschlichen Wissens wurden nun auf den Punkt geleitet auf welchen sie im Stande waren, den Begierden Einzelner die größtmöglichsten Genüsse zu gewähren, und ihnen da überall entgegengewirkt, wo sie den Begierden der Reichen und Mächtigen, zum Wohle Aller Grenzen zu setzen drohten. Bald hatte auf diese Weise die Genußsucht mit Hülfe des Geldsystems den Kreis der natürlichen Begierden erschöpft. Das nützliche Wissen genügte mit seinen Produkten des Neuen und Nützlichen den ungestümen, schrankenlosen Begierden der Reichen und Mächtigen nicht mehr; diese schufen sich daher in der Phantasie was ihnen die Wirklichkeit nicht leicht und schnell genug gewähren konnte. Jemehr man auf Unkosten Anderer hatte und genoß, je mehr wollte man haben und genießen. Hatte man das beschwerliche Erwerben des Eigenthums durch die Erfindung der Erbschaft und des Geldes beseitigt, so beseitigte man nun mit Hülfe der durch das Erb- und Geldrecht gewachsenen Macht, auch noch die Erwerbung des Ruhmes, der Ehre, des Ansehns der Gewalt und des Vorrechts; man machte sie erblich! Sie machen Alles erblich, was zu verdienen sie nicht den Muth und die Kraft in sich fühlen. Seitdem heißt es: der junge Prinz, der junge Graf, der junge Baron, der gnädige Herr, die gnädige Frau; ferner: Ew. Hochwürden, Ew. Gnaden, Ew. Majestät, Ew. Durchlaucht, Ew. Heiligkeit, Ew. Eminenz, Ew. Exellenz, Ew. Pestilenz, u. s. w. Uns, wenn wir soviel blaue Montage machen wie Obige blaue Monate und Jahre, betitelt man: Faullenzer, Tagedieb, Vagabond, Landstreicher, u. d. g. Noch Andere nennt man: Geheimräthe, Legationsräthe, Oberlandesgerichtsräche, Konsistorialräthe, Hofräthe u. d. g. Ob nun wohl unter hundert Bauern Einer ist der mir sagen kann, was denn eigentlich Jeder der hier angeführten Titelmänner für Pflichten auf sich hat? Ich glaube es nicht. Ich befände mich in derselben Verlegenheit, wenn man mich z. B. früge, was denn ein Hofrath zu thun hat. Der Hofrath selber würde vielleicht bei einer solchen Frage noch verlegener werden als ich und die hundert Bauern. Jedenfalls ist soviel gewiß, daß diese Herren, wenn sie sich wirklich mit etwas allgemeinen Nützlichen beschäftigen sollten, sich es jedenfalls dabei nicht sauer werden lassen. Das was ihr Aemtchen und Titelchen Lästiges hat, übertragen sie einem Unterbeamten, Schreiber, Gehülfen, Asseßor, u. d. g. und das was das Aemtchen Angenehmes hat, und Funkelndes einbringt, das schieben sie in die Tasche. Wenn ich in den großen Städten die vielen decorirten Männer an Arbeitstagen sich müßig kreuzen sah, machte ich oft darüber Vergleiche so nach meiner Art. Zuerst dachte ich: Eigenlob stinkt, und wenn man geschickt, gelobt und geehrt ist, so soll man damit nicht prahlen, denn was ist widerlicher anzuhören als das Herauskramen aller guten Eigenschaften, wovon manchmal die Hälfte übertrieben ist, und das was daran Wahres bleibt eben darum wenig Glauben findet. Sind diese bunten Ordensbänder etwas anderes als eben solche fade Platzirereien? Wenn es Mode würde, daß die Meister einem geschickten Arbeiter ein buntes Band ins Knopfloch bänden, damit Jeder an diesem Zeichen den Grad seiner Geschicklichkeit erkenne; wie würdet ihr einen Solchen verhöhnen, wenn er auf der Straße daher stolzirt käme, mit seinem Platzierfetzen im Knopfloch! — Wenn du Vorzüge vor Andern hast, wenn du einmal der Menschheit etwas Nützliches und Wichtiges geleistet hast, so behalte es für dich; das schwatzhafte Maul wird dir dabei ohnehin manchmal zum Verräther, und Andern zum Ekel; was braucht es auch noch ein buntes Aushängeschild dazu! Ein Schreiner hatte einem gefangenen Sperling ein rothes Läppchen auf den Kopf geleimt, und ihn dann fliegen lassen; seit der Zeit mieden alle vereinzelten Spatzen seine Gesellschaft, und wenn sie in der Mehrzahl waren verfolgten sie ihn, und das so lange bis sie ihm den Kopf kahl gerupft, und das Läppchen herunter gerissen hatten. Meinethalben können alle diese Individuen mit ihren Titeln, Orden, Aemtern, und Kappen auf einmal verschwinden, weder mir noch sonst einem Arbeiter der Erde würde der Kummer darüber die Haare bleichen. Könnt ihr von uns auch so sagen ihr Titelkrämer? Schwerlich! Nun so müßt ihr wenigstens eingestehen daß das daher kommt weil ihr uns braucht und wir euch nicht. Eure Existenz, so wie die aller Geldmänner werden wir gewahr an den unerschwinglichen Steuern die wir zahlen müssen, an der Vermehrung unserer Arbeitszeit, so wie an der Verkürzung unseres Lohnes, außer dem wüßten wir nicht daß es solche Vögel im Lande giebt, denn eure Titel sind unsern Ohren fremde, barbarische Töne. Unsere Existenz könnt ihr nicht läugnen; eure Wohnungen, Möbeln, und Equipagen, eure Kleider, euer Schmuck, und eure reichbesetzen Tafeln können davon Zeugniß geben. Nicht wahr, das sind schlagende Beweismittel, die eine Parthei von der andern hat; denn wir sind Partheien, das unterliegt gar keinem Zweifel; denn ihr verbraucht! und wir bringen hervor, ihr habt Aemter und Titel! und wir nichts als unsern ehrlichen Nahmen; ihr habt das Geld! und wir hätten es gerne; ihr habt das Recht! und wir immer Unrecht; und zwar am meisten wenn wir euch Recht lassen. Alle diese Herren, Herrchen und Herrlein, mit den unnützen Aemtern, Aemtchen und Aemtlein, hat uns das Geldsystem aufgepackt; und unsere Armuth und Mühen sind der Dank dafür daß wir sie nähren. Und noch immer mehr neue Aemter und Titel werden erfunden um darunter den Müßiggang zu verdecken, und die Schwelgerei, den Luxus und den Ueberfluß zu beschönigen. Alle diese Leute mit ihrer unfruchtbaren Arbeit, und ihren überspannten Genüssen, sind die Ursache der Vermehrung unserer Arbeit, und der Verminderung unserer Genüsse. Für sie Alles was ihnen gefällt! für uns der Rest. — Die feinen Backereien und künstlichen Zuckersachen, die köstlichen Pasteien, Wildbret, Geflügel, Fische und Südfrüchte, die feinsten Liköre und Weine und andere Schleckereien sind für sie! Die herrlichen Palläste mit den Prunksälen, den kostbaren Möbeln, Gemälden und Teppichen; die elegantesten Häuser in den schönsten Straßen der Stadt, die geräumigen verzierten Wohnungen darin; die schönen Gärten mit den Fontainen und Marmorstatuen; die Treibhäuser mit den Orangenbüschen sind für sie! Die Tapeten, Vergoldungen und Zierrathen ihrer Zimmer, der getäfelte und gebohnte Boden derselben, die seidenen Vorhänge und der weiche Pflaum ihrer Betten, die kostbaren Spitzen ihrer Kleider, die oft zu einem einzigen Kleide Jahre lange Arbeit kosten, und in ein paar Stunden ausgedient haben, sind für sie! Die feinen Handschuhe, die der elegante Herr und die elegante Dame nur einmal anziehen, und welche man der Nätherin das Paar einen Groschen bezahlt, wobei sie dann, wenn sie fleißig ist, Zwei Groschen des Tages verdienen kann, diese Handschuhe sind für sie, für ihr Nichtsthun; das Tagelohn von 2 Groschen ist für uns, für unsere Weiber und für unsere kleinen Kinder, damit sie ja sich recht früh zum Krüppel sitzen, während die Andern mit den Handschuhen einige Mal spatziren gehen und sie dann wegwerfen. Die verschiedenen prachtvoll gearbeiteten Waaren, die künstlichen Gefäße von Gold und Silber, die Geschmeide mit den Diamanten und Perlen, die schönen und reichen Bibliotheken mit den prachtvoll gebundenen Büchern, die elegantesten Gasthäuser, die schönsten Ballsäle, die ersten Plätze in den Konzerten und Theatern sind für sie. Für sie sind die Heilquellen und Bader; für sie die schönen Landhäuser; für sie der Genuß des Frühlings, das Leben auf Reisen; für sie die Kräfte unserer Arme, und das Blut in unsern Adern; für sie unsere Jugend, und die Jugend und Schönheit unserer Mädchen und Weiber; für sie endlich Alles, was nothwendig, nützlich, angenehm und käuflich ist. Alles das war für sie, und wer giebt’s ihnen? Wir. Warum? Wahrscheinlich, weil wir durch die lange Sklaverei zahme und feige Subjekte geworden sind. Wofür? Wahrscheinlich aus Dankbarkeit für die brüderliche Behandlung, der wir uns von ihrer Seite zu erfreuen haben. Nun, wenn denn Alles das für sie ist, was bleibt denn für uns, wir gehen denn doch nicht ganz leer aus? Davon ist auch keine Rede; denn es giebt außer oben erwähnten Produkten noch genug andere, die Niemand von Denen will, die die oben erwähnten gewohnt sind. Die schmutzigen Betten mit den groben Leinen und den harten Strohsäcken, die hölzernen Bettstellen voller Wanzennester sind für uns! Die zerbrochenen wurmstichigen Möbeln, die verfaulten Dielen und feuchten Wände, die schmutzigen zerbrochenen Fenster mit der Aussicht auf eine kahle Mauer, eine Dachrinne oder einen Misthaufen sind für uns! Die bloßen Füße in den Schuhen ohne Absatz und Sohlen, die dünnen Hosen ohne Boden oder mit gesticktem Hintertheil und Knieen, die roth und grau gewordenen Hüte mit den schmutzigen und gebrochenen Rändern und weißen Kanten sind für uns! Die irdenen Pfeifen mit dem schlechten Knaster, die verdorbenen, schlechten und verfälschten Weine, Fuselbranntweine und der Wasserkrug sind für uns! Die Würste von verdorbenen Fleischbrocken, erfrorne Kartoffeln, alte holzricht und bitter gewordene Rüben sind für uns! Das Fleisch alter Kühe, die keine Milch mehr geben, die Kälber, die in der Geburt geschlachtet werden, und die Schaafe, die an Altersschwäche sterben, sind für uns! Alles was verdirbt und sauer wird, ist für uns, da können wir sicher darauf rechnen; wer will es sonst essen, wenn es das arme und arbeitende Volk nicht ißt; wer es kochen, als die, welche die letzte Speculation machen, welche aus den paar Pf. die wir für unsere Nahrung ausgeben, auch noch einen Gewinn herauspressen müssen, um in unserer verkehrten Organisation der Gesellschaft leben zu können. So wird außer den täglichen Sorgen und Plagen auch noch immer Einer dem Andern zur Last, zum Aerger und zur Plage, ohne daß sie selber schuld wären. So hat man nach und nach dem arbeitendes Volke aus dem Paradiese dieser Welt ein Jammerthal geschaffen, voller bitterer Elendskräuter und heißer Thränenquellen. Alle diese Thränen des Elends, von welchen der Reiche und der Wohlhabende nichts wissen, fließen doch aber, und zwar stärker als wir selber es beschreiben können; denn der Leidende geht nicht im höchsten Gefühl des Schmerzes auf die öffentlichen Plätze oder zu einem Freund, sich auszuweinen; da sucht er im Gegentheil seine Thränen zu verbergen und Heiterkeit zu heucheln. Im stillen Winkel seines Hauses, auf seinem harten Lager, auch wohl auf einsamen Spatziergängen, da fließen seine Thränen, unbemerkt von Freund und Feind, unbemerkt von dem Priester, der auf die himmlischen Freuden vertröstet, wenn Einem die irdischen Leiden zu Boden drücken, unbemerkt von dem Richter, der unsere Schilderung zu grell findet, weil er keine Gelegenheit hatte, davon die Erfahrung zu machen; unbemerkt von dem reichen Verschwender, der kaum an die Möglichkeit der Thränen des Elends glaubt, so wenig wie an die Thränen seines Reitpferdes oder seines Hundes. Was kann Jemand, der im Wohlstande lebt, von unserm Elend urtheilen; er kann unmöglich einen wahren Begriff davon haben. Stellt mir, wenn ich euch so die Bilder des Elends male, gute Speisen und Weine auf den Tisch, gebt mir überhaupt viel Geld und eine liebenswürdige Frau, ob ich da wohl im Stande wäre, die Bilder des Elends und der Bedrückung der Wahrheit getreu aufzufassen; ich glaube es nicht! denn die Gegenstände, die uns umgeben, die Lebenslage, in der wir uns befinden, üben einen bedeutenden Einfluß auf uns, und der Mensch, der sich mit seinen persönlichen Interessen beschäftigt, ist nicht im Stande, ein kräftiges Unternehmen für die allgemeinen Interessen zu wagen. Merken wir uns das genau: Es wird in Ewigkeit nicht besser, so lange das Volk die Leitung seiner Interessen Leuten anvertraut, die reich sind und bleiben wollen, oder die gutbezahlte Aemter haben und nach noch höhern streben. Zehntes Kapitel.Das Soldatenwesen.Das ist eine lebendige, willenlose Maschine, aus unsern besten Mark, Blut und Knochen zusammen gefügt, und bestimmt unsere besten Knochen zu zermalmen, unser bestes Blut zu vergießen, und uns unser bestes Mark auszupressen. — Die Gewaltigen geben den Plan nach welchem die Bevorrechteten diese Maschine in Bewegung setzen; der seßhafte Bürger liefert dazu sein Geld, das arbeitende Volk die Blüthe seiner Jugend, den Rest seiner Gesundheit und seines freien Willens. Wittwen und Waisen bezeichnen das Ganze mit ihren Thränen. — Die Arbeit dieser Maschine ist Schrecken, Gräuel, Verwüstung und Krieg!!! So viele Sterne am Firmamente leuchten, so viele Sandkörner das Meer an seine Ufer spült, so viele Herzen hat der Krieg zerrissen, so viele Stützen hat er gebrochen, so viele Lebensflammen erloschen. So viele Thautropfen an den Gräsern hangen, so viel Thränen hat er der leidenden Menschheit erpreßt, und noch gar viele wird er erpressen, ehe er von der Weltgeschichte seinen blutigen Abschied nimmt! — Hast du Lust Soldat zu werden, junger Bursche? So gehe hin und siehe dem Exerciren und dem Kasernenleben eine Weile zu. Ich will dir einige Beispiele davon vor die Augen führen. Wisse, auch mir pocht das Herz wie dir beim Klange der rauschenden Musik, auch mich hätte der majestätische Marsch der Truppen in deinen Jahren bald in’s Garn gelockt. Es ist nicht Alles Gold was glänzt; denken wir uns darum einen Augenblick den Zauber der Musik und die majestätische Haltung der Truppen hinweg, und durchmustern wir kaltblütig den Rest. In Preußen z. B. ist es dem Vorgesetzten verboten, den Soldaten zu schlagen; deshalb aber machen jene doch was sie wollen. Ich sah einen Unteroffizier einigen stämmigen Bauerburschen, welche er exercirte, unter dein Vorwande, daß sie nicht gut schultern, mit dem Gewehr zu wiederholten Malen vorne ans den Achselknochen schlagen, daß den Kerlen die thränen aus den Augen liefen vor Schmerz. Da sollten sie nun das Gewehr so stark ausschlagen, daß man den Ladestock beim Schultern klirren hören konnte. Schönen Dank vor eurer Marterschule! Ihr schlagt die Leute nicht. Nein! das war nicht geschlagen?—Der Arm, den mir in Potsdam ein Grenadier von der Garde zeigte, war auch nicht geschlagen! Stellt euch vor: oben an dem Achselknochen sah ich eine harte Rinde wie sie der Schneider am Fußknöchel vom Sitzen, und der Schmidt und Schreiner an den Händen von vielen Arbeiten bekommen; dann war der ganze linke Arm von oben bis unten herunter braun, roth, blau und grün; er spielte alle Farben, und dieser Mensch hatte doch, seit 8 Wochen schon nicht mehr exercirt. Na! dachte ich mir, wenn ihr Soldaten braucht, so kauft euch welche. Ein andermal sah ich einen preußischen Unteroffizier, welcher bald hinter bald vor der Front die vorstehenden Füße und Knieen mit der Kolbe zurecht stieß. — Das ist Alles nicht geschlagen! Einer der gestoßenen Rekruten mochte vielleicht eine Miene des Schmerzes gemacht haben, — der Mensch ist doch hol’s der Teufel nicht von Holz — oder konnte ihn der Lieutenant nicht leiden, kurz und gut, das blutjunge adelige Bürschchen sprang herbei, und zog den erwähnten Rekruten unter höhnischen Reden bei der Nase und den Ohren, und grinzte ihn ungefähr dabei so an: Ah soooooo!!! Bengel! — Bengel!! — Flegel!!! —Dir ist es wohl nicht anständig? — Du willst wohl noch den Mucker spielen? — Verziehe mir eine Miene, so holt dich das Donnerwetter!— Rechnet nun noch dazu die Betonung des Spottes in den Worten und die Verhöhnung in den Mienen, welche der Andere geduldig hinnehmen und sich dabei an der Nase ziehen lassen mußte von dem jungen Laffen, stellt euch dies Alles so gehässig wie möglich vor, so habt ihr das Bild, von dem ich Zuschauer war. — Na, guten Appetit! dachte ich mir. Wohl bekomme euch Preußen die Geißel des Hohnes! und euch Oesterreicher, die Spießruthen. Unter den preußischen Unteroffizieren giebt es viele verheirathete. Diese nun sind gezwungen, alle Locher auszustöbern, wo es etwas für sie zu krebsen geben kann; denn von ihrem knappen Sold können sie kaum ein Glas Schnaps zu ihrem Kommisbrod trinken. Da müssen denn nun wieder die armen Rekruten herhalten, und Gnade Gott dem, der zufälliger Weise ein armer Teufel ist und nicht spicken kann, dem wird strenge auf die Finger gesehen; der wird ruiniert bis aufs Blut und folglich auch oft bestraft. Ich habe einigemal solcher moralischen modernen Folter mit beigewohnt, die um so empörender ist, als der Rekrut oft ein gebildetet, geschickter Handwerker, und der Unteroffizier ein roher Klotz ist, der, weil er keine Gelegenheit hatte, ein geschickter Arbeiter zu werden, vorzog, Soldat zu bleiben; der von der ABC-Fibel zu der Mistgabel, und von der Mistgabel zum Gewehr gegriffen; der von seiner Hütte auf seinen Acker gegangen, und von seinem Dorf in sein Regiment eingetreten ist. Wenn dann ein solcher sich verheirathet und einen Rekruten bekömmt, der nicht spicken kann, da hört man denn oft die Worte: Gerade gestanden! sonst soll dir das Ungewitter in den Magen fahren! — Steht der Geisbock da als wenn er Zwirn wickeln wollte. Fest angepackt das Gewehr! es zerbricht nicht! oder: Glaubst du Schneider, du hast eine Nähnadel in der Hand! — Schuster! Schuster! hast du Pech an den Fingern? Das geht ja kommst du heute nicht so kommst du morgen. Rasch geschultert! Eins! Zwei! Drei! Wenn es ein Pechdraht wäre oder was zu fressen, da würde es wohl besser gehen u. s. w. — Dieses Alles ist mit der Miene des Spottes oder der Wuth ausgesprochen, und mit Betastungen, Schütteln und Stößen begleitet, und darf nicht mit einem Laut, mit keiner Bewegung und keiner Miene erwiedert werden. Es giebt allerdings Ausnahmen unter den Unteroffizieren; ich selbst habe einen gesehen, unter dessen Leitung die ganze Korporalschaft mit heitern, freundlichen Mienen exercirte; aber dieses sind Seltenheiten, und Niemand kann darauf rechnen einen solchen zu bekommen. Es heißt freilich, der Soldat hat das Recht, seinen Vorgesetzten zu verklagen, wenn ihm zu viel geschieht; die Soldaten wissen indeß recht gut, was an diesem Verklagen ist. Ein solcher wird für einen Schwätzer und Angeber bekannt gemacht — was er natürlicher Weise dann auch ist — und dann von jedem Unteroffizier, dem er von Neuem zugetheilt wird, mit Mißtrauen und Verachtung behandelt; denn wenn der Unteroffizier auch wirklich ein guter Teufel wäre, so hat er doch Furcht, daß ihm der Neuangekommene nicht auch eines Fehlers wegen bei den Obern anzeigt, und hält ihn deswegen unter strenger Aufsicht. Mit dem Rechtsuchen bei den Obern ist es also doch so viel wie nichts, damit verschlimmert der Rekrut eher seine Lage als daß er sie verbessert. Die Strafen gegen solche, die sich im Zustande höchster Gereiztheit gegen ihre Vorgesetzten in Worten oder thätlich vergehen, sind so fürchterlich streng, daß es in einem solchen Falle fast gleich ist, welchen Grad von Widerstand gegen seine Obern er sich zu Schulden kommen läßt; denn die Folgen jedes Widerstandes sind beinahe immer die Vernichtung des ganzen künftigen Lebensglückes, des handelnden Individuums. Das Ende des Drama’s eines solchen durch die schlechte Behandlung hervorgerufenen Widerstandes ist auch fast immer Gefangenschaft und Tod. In Wien vergeht kein Monat, an welchem nicht Einer oder Einige von der Garnison Mordes oder der Widersetzlichkeit gegen ihre Obern wegen gehenkt werden; Andere desertiren, noch Andere erschießen sich, und diese Letztern sind in der Anzahl nicht unbeträchtlich. So lustig ist das Militairwesen! - Alle diese fürchterlichen Strafen hat man ersonnen, um die Leute durch Furcht und Schrecken zu einer willenlosen Maschine zu machen. Aber immer gelingt der Plan nicht, das haben wir nach den dreißiger Jahren gesehen. In Hanau weigerte sich ein ganzes Bataillons auf das Volk zu feuern; ein andermal marschirte im Hannoverschen ein ganzes Regiment, statt gegen eine im Aufstande begriffene Stadt, den Befehlen seiner Offizier zuwider, gerade den entgegengesetzen Weg; noch ein andermal weigerte sich ein Theil der preußischen Landwehr in Görlitz nach der polnischen Grenze zu marschiren; andere 400 preußische Polen, die man unter die Garnison einer preußischen Festung stecken wollte, kehrten auf halbem Wege dahin um und gingen wieder nach Hause. Und die Militair-Verschwörung im Würtembergischen, von deren Opfern die Gefängnisse damals voll waren! Das war damals eine kritische Zeit für die alten Institutionen; aber der Epoche haben Männer gefehlt, die sie zu benutzen verstanden. Bei der ganzen Bewegungspartei war kein Kopf am rechten Platze, und keiner von denen, die sich bemerkbar machten, brachte etwas zu Stande oder wagte etwas zu Stande zu bringen, das geeignet gewesen wäre, auf das Geschick Deutschlands und der Menschheit einen Einfluß auszuüben. In Spanien und Portugal trat man kräftiger auf. Hier bewerkstelligten die gemeinen Soldaten einige Male Revolutionen für eine politisch-radikale Sache. Einmal sahen wir hier einen Lieutenant mit 500 Mann ohne alle übrige Offiziere sich im Posthause verschanzen und der ganzen Garnison Schach bieten; ein andermal waren es die Soldaten und Unteroffiziere eines im Palaste bei Madrid die Wache habenden Regiments, welche die Königin zwangen, die Constitution zu beschwören. Die Offiziere hatte man unterdessen eingesperrt. Das Unternehmen gelang und die Rebellen wurden in der Folge zu höhern Graden befördert. Wäre es nicht gelungen, so hätte man sie erschossen. Auf dem Wege der Revolution bringt jeder Stillstand Verderben. Wer hier den ersten Schritt thut, muß auch schnell die folgenden thun. Wer weiß, was in den nächsten Ereignissen geschehen kann? In den Tagen der Krisis ist ein einziger Mann, sey er noch so einfach, unberedt und schlicht, im Stande, Unglaubliches zu leisten, wenn er Muth und Geistesgegenwart hat; besonders bei einem Volke, dem Aufstände und Revolutionen etwas Neues sind. Wer weiß, welche Ideen in den jungen Köpfen brüten, welche uns die dreißiger Jahre herangebildet haben, und welche Gelegenheit ihnen noch geboten wird, ihre Thatenlust zu befriedigen. Ich habe oben in Bezug auf den Unfug und die Barbarei beim Militairwesen vorzüglich das preußische berührt; nun fällt mir aber just ein Fall ein, der im Oesterreichischen stark gebräuchlich ist, und den ich um keinen Preis hier mit Stillschweigen übergehen will, weil vielleicht außer mir Niemand sich die Mühe nimmt, auf dergleichen Unfug aufmerksam zu machen. Ich hatte in Wien einen Kameraden, einen Prager, dieser bekam eine Zustellung, um bei der Conscription zu erscheinen. Dazu hatte er wenig Lust, und erkundigte sich deshalb, was da zu thun sey. Ja, sagte man ihm, Sie müssen zu einem Conscriptionsarzt gehen und sich ein Zeugniß geben lassen, daß Sie untauglich zum Militardienst sind, das kostet, glaube ich, 50 fl. Conv. Gut! der geht und erkundigt sich, und findet auch einen solchen, der ihm zugleich sagt, wie viel Geld er ihm geben müsse. Den andern Tag fragt ihn der Meister: Na, haben Sie einen gefunden? Ja, sagt er, er verlangt aber so und so viel. A, bah! antwortet der Meister, da gehen Sie zu dem und dem, der macht es billiger. Na! dachte ich mir, da wird ja um das Bestechen und Spicken der Beamten noch öffentlicher verhandelt, als um den Verkauf alter Kleider! Der geht darauf zu dem frisch rekommandirten Arzt und will da noch mit ihm handeln. Nein! antwortet ihm der, da kann ich nichts herunter lassen; denn wir sind unserer drei, ich und der Conscriptions-Lieutenant und der — da weiß ich nicht mehr wer, kurzum, es war noch ein solcher Kerl. — Wenn Ihnen, fuhr der Arzt fort, einer von Denen seinen Theil billiger läßt, will ich es auch thun. Wie er sah, daß es keine Möglichkeit war, einen falschen Attest billiger zu bekommen, gab er ihm das Geld hin und erhielt darauf seinen Schein, wobei er ihm bemerkte, wie er oben bei der Untersuchung sagen und wie er’s machen müsse, wenn er ihm dieses oder jenes Glied untersuche. — Ich traute kaum meinen Augen bei der öffentlichen Verhandlung solcher Spitzbüberei. Der arme Kerl, mein Kamerad, der sich seine Paar Kreuzer so sauer hat verdienen müssen, mußte sie so schändlicher Weise den kaiserlichen Beamten in den Rachen werfen. Warum, frug ich, riskiren aber diese Beamten so leicht eine Angeberei? Weil nur der Angeber sein kann welcher gespickt hat, und dieser dann vom Gesetz bestraft wird, antwortete man mir!! — Welche ungeheure Lastete stehenden Heere auf das arme ausgesaugte Volk werfen, und was durch sie Alles verloren geht! Die besten Kräfte, die rüstigsten Arme, werden der Gesellschaft entzogen um sie in einem dem Wohle Aller schädlichen Wirkungskreise, für die Sicherung der Vorrechte unserer Tyrannen zu vergeuden. Wenn man die verschiedenen Armeen Europas zusammenzählt, so findet man die Zahl von ohngefähr 2 Millionen Soldaten. Diese aus den kräftigsten Individuen bestehend, schaffen nicht nur allein nichts Nützliches, sondern die Uebrigen minder kräftigen, müssen auch noch den Unterhalt dieser, in die Zerstörung von Leben, Arbeit und Eigenthum eingeübten zwei Millionen herbeischaffen. Da ist es wahrlich kein Wunder wenn das Elend fürchterlich überhand nimmt! Nicht genug daß das Volk ganze Heerden Faulthiere und Vielfräße erhalten muß, auch noch ganze Armeen kräftiger Jünglinge die man der nützlichen Arbeit entzogen, und gezwungen hat das System der Unterdrückung zu vertheidigen, muß es füttern, herbergen und kleiden. — Es ist entweder zum Todtlachen, oder zum Tollwerden! ärgern kann man sich darüber bald nicht mehr. Die verschiedenen Armeen werden von den verschiedenen Machthabern in den Krieg geschickt, und im Rücken derselben schreien die Pfaffen vor den Altären und von den Kanzeln: Gott ist mit uns, mit der gerechten Sache! Aus den Wirrwar soll sich nun der liebe Gott herausfinden! die Sache eines jeden Tyrannen soll er für gerecht halten, und ihr als einer solchen den Sieg verschaffen; um Lappalien soll er sich bekümmern, als: König, Grenze, Sprache, Vaterland; Lappalien die nicht er, sondern die Vereinzelung des Menschen von dem Menschen, ihr Eigensinn, ihre Dummheit und Herrschsucht herangebildet hat. Da wollen sie unsern Herrgott zum Mitschuldigen ihrer Albernheiten machen, gleichsam um dieselben dadurch vor den Augen des geblendeten Volkes zu heiligen. Wie lange wird denn die Komödie noch gespielt werden! — Es wäre wahrlich Zeit die Farce ginge zu Ende. Elftes Kapitel.Vaterland, Grenzen und Sprachen.Vaterland! süße Täuschung! heilig gewordene Lüge! die mit bezauberndem Enthusiasmus die Herzen der Menschen umstrickt, ihren Verstand umnebelt und ihre Sinne verwirrt; die den wüthendsten Feinden des Fortschrittes und der Freiheit Aller zum letzten Nothanker ihrer Irrthümer, zum Rettungsbalken ihrer Vorrechte dient; alte zweideutige Ueberlieferung! den Schleier herunter, den der Staub der Jahrtausende bedeckt, damit man sehe weß Geistes Kind du bist! Was ist denn nun eigentlich das, ein Vaterland? — Was ist das, Vaterlandesliebe?— Jetzt wird der Wirrwar angehen. Wie es da vor mir liegt auf der Karte von Europa mit seinem buntveränderten Kleide! und alle diese Schwestern in mehr oder minder weiten Grenzen um ihm rund herum! Und überall Regierungen, Polizei und Pfaffen welche ein Interesse haben jedem Menschen zwischen diesen buntbegränzten Ländern, seinen Theil Vaterlandsliebe, gegen einen dafür zu erstickenden Theil Menschenliebe anzuweisen. Untersuchen wir nun auf welche Weise diese trügerische Komödie ihren Anfang genommen hat, und wie diese Grenzen entstanden sind. Wenn wir auf den Anfang der deutschen Geschichte zurückgehen, so finden wir daß viele hundert Jahre vor Christi Geburt, kühne Völker von den Gebirgen des Kaukasus hernieder stiegen, aus dem Morgenlande und vom schwarzen Meere herangezogen kamen, und sich endlich nach langem Umherziehen in den Gegenden niederließen, welche einen Theil des heutigen Deutschlands bilden. Diese da hatten nun ohnstreitig noch keinen Begriff vom Vaterland, sowenig als überhaupt die Nomadenvölker, die die ganze Zeit ihres Lebens aus einer Gegend in die andere ziehen, davon einen haben können. Sie kamen nur um Nahrung für sich und ihre Heerden zu finden, welche ihnen das unbewohnte, mit dichten Waldungen bedeckte Land im Ueberflusse bot. So lange dem Menschen die Arbeit noch nicht nöthig war um zu leben, zog er mit seinen Heerden und Waffen von Thal zu Thal, von Wald zu Wald; in den fruchtbarsten Gegenden immer am längsten verweilend. Je mehr sich nun diese herumziehenden Hirten- und Jagerstämme vermehrten, um so mehr stellte sich auch auf den steten Umzügen bei einzelnen Haufen derselben Mangel ein, je nachdem dieselben mehr oder weniger gute Beute auf der Jagd gemacht, oder gute Weiden für die Heerden gefunden hatten. Da machte die Noth den Menschen vorsichtig und Erfinderisch, man blieb in guten Gegenden, weil man befürchtete in noch schlechtere zu gerathen, und dann beim Rückzug die früher bewohnten von andern Stämmen besetzt zu finden. Mit Widerwillen fügte man sich damals in die bittere Nothwendigkeit feste Wohnplätze suchen zu müssen; weil dadurch die persönliche Freiheit bedeutend beschränkt wurde. Allein da die Feindselichkeiten zwischen den verschiedenen Stämmen dem Unterhalt und der Freiheit der herum ziehenden Haufen immer gefahrdrohender wurden, so machte man aus der Noth eine Tugend, wählte zwischen zwei Uebeln das kleinste, und kettete seine Existenz an die Erdscholle, welche sich die verschiedenen Stämme je nach errungenem Siege oder erlittener Niederlage markirten. Das genügte nicht; man erfand den Ackerbau und das Eigenthum. Notwendigkeit, Unwissenheit und Irrthum, fesselten den Menschen nun immer fester an die Scholle. Dies war der erste Prospectus vom Vaterland; der Begriff selbst ließ hieraus nicht lange mehr auf sich warten. Mit dem Begriff des Eigenthums, war auch der des Diebstahls innig verbunden. Um nun dem Eigenthum der ersten Diebe oder Besitznehmer mehr Sicherheit zu gewähren, erfand man die Gesetze, unter andern vorzüglich das Erbschaftsgesetz. Dieses sicherte das in Grenzen abgesteckte Land jedes Einzelnen, den Kindern desselben. Auf diese Weise erbten die folgenden Generationen das Land von ihren Vätern, und nannten es daher Vaterland. — Der richtige, ursprüngliche Begriff vom Vaterland ist also ein vom Vater auf den Sohn vererbtes Stück Land; ein Eigenthum. Folglich hatte doch nur der ein Vaterland welcher entweder für sich ein besonderes, oder ein mit Andern gemeinschaftliches Eigenthum hatte. So gab es bei den einzelnen Stämmen noch Viele, welche sich nicht an ein eingezäuntes Stück Land fesseln wollten, und vorzogen von der Jagd zu leben, so wenig sie ihnen auch einbrachte. Diese da benutzten das ganze, zwischen den Grenzen des Stammes gelegene, noch nicht von Einzelne in Anspruch genommene gemeinschaftliche Land als ihr gemeinschaftliches Eigenthum; sie hatten also doch auch einen Theil am Lande der Väter, am Vaterland, welcher ihren Lebensunterhalt sicherte, und folglich auch die Grundbedingung ihrer Unabgängigkeit war. Wer also ein Vaterland hatte, hatte auch ein Eigenthum, oder doch die Freiheit und die Mittel Eigenthümer zu werden; wer diese nicht hat, hat kein Vaterland. Das merkt euch ihr Vaterlandsvertheidiger! Den Begriff Vaterland haben wir jetzt definirt, nun wird es nicht schwer fallen die Vaterlandesliebe zu definiren. Wie schon bemerkt, so war in den Urzeiten dem freiheitsliebenden Menschen nichts mehr zuwider als das Ansiedeln auf eine begrenzte Erdscholle. Erst später, nachdem die Menschen sich auf einigen Punkten stark vermehrt hatten, entschloß man sich dazu, eben darum weil man aus den steten Umzügen Mangel litt. Manche flohen aus Furcht vor andern kriegerischen Stämmen in die tiefsten Wälder und machten sich hier seßhaft, unbemerkt von Ersteren. Diese machten sich nicht so leicht seßhaft. Sie liebten die Freiheit, und fanden kein anderes Mittel sie sich zu sichern als die Jagd und den Krieg. Sie kannten und respectirten weder Eigenthum noch Erbrecht und Vaterland. Sie waren überall in ihrer Heimath, und nahmen Alles in Besitz was ihnen in die Hände fiel. Daher überall Krieg wo sie mit andern Stammen in Berührung kamen, überall Raub wo sie siegten. — So geschah es, daß friedliche, Ackerbau treibende Völker von andern herumziehenden kriegerischen Stämmen verdrängt, oder zu Sklaven gemacht wurden. Im letztern Falle mußten sie dasselbe Land welches sie früher ihr Eigenthum genannt hatten, zum Vortheil ihrer neuen Herren bearbeiten, welche sowohl das eroberte Land, als die gefangenen früheren Bewohner desselben, unter alle Krieger theilten. Das war der Charakter der Kriege des Alterthums, man nahm seinen Feinden das Land, machte die übrig bleibende Bevölkerung zu Sklaven, und theilte sowohl Eigenthum als Menschen unter die Sieger, so daß Jeder seinen Theil davon bekam. Wer sich in diese Umstände recht lebhaft hinein denken kann, dem wird die feurige Vaterlandsliebe der Urahnen leicht begreiflich werden. Sie hatten bei jedem Kriege Alles zu verlieren was sie an das Leben fesseln konnte. Den Boden, das Eigenthum was Jedem Nahrung und Unabhängigkeit gewahrte, konnten sie sich nur durch die tapfere Vertheidigung ihrer Vaterlande, oder was dasselbe war, ihrer Erbgüter erhalten. Was aber haben wir heute von den fremden Feinden zu befürchten, daß wir nicht auch Alles von den innern zu befürchten hätten? — Uns nimmt der auswärtige Feind kein Eigenthum mehr, denn der innere hat uns schon ausgeplündert. Uns schlägt man nicht mehr todt um uns auszurotten, seitdem wir gewohnt sind uns für sie zu Tode zu arbeiten. Welche Liebe kann heute wohl der zum sogenannten Vaterlande haben, der nichts darin zu verlieren hat, was er nicht in allen fremden Ländern wieder zu finden im Stande ist? — Ist doch das Vaterland nichts anderes als das Land vom Vater, das Erbtheil was ein Jeder zur Sicherung seines Unterhalts, und seiner Unabhängigkeit von den Launen Anderer nöthig hat; wenn ich nun aber dies nicht habe, oder darin um zu leben, genöthigt bin zum Vortheil Anderer zu arbeiten, damit diese um so gemächlicher den Herren spielen können, wie kann ich es denn da lieben? — So ein Vaterland das alle seine Glieder, und keine Müßiggänger nährt, laß ich mir gefallen, für das ist es wohl der Mühe werth, gegen die Ungerechtigkeit zu kämpfen; für solch ein Vaterland kann man schon Leben, Blut und Freiheit wagen; aber unsers? Großer Gott haben wir denn wirklich ein Vaterland? Falsche Heuchler die ihr seyd, ihr wißt’s recht gut, daß wir keins haben, wollt aber nicht, daß wir es einsehen sollen. Zu fordern hätten wir freilich eins und das mit großem Rechte, Fremdlinge hätten wir hinauszutreiben, Landsleute hinein zu rufen. Wir hätten nothwendig den Besen zu nehmen und damit einmal wieder gehörig reine Bahn zu fegen; doch davon zu seiner Zeit ein Wort. Leider habt ihr uns vom Vaterland nichts weiter gelassen, als den Namen, den aber werden wir euch bald vor die Füße in den Koth werfen und uns unter das Banner der Menschheit flüchten, welches keine Hohe und Niedere, keine Arme und Reiche, keine Herren und Knechte unter seinen Vertheidigern zählen wird. Heute sind wir in unserm eigenen Vaterlande von Feinden umgeben, die so schlimm und tyrannisch sind als die fremden. Die Sklaverei, unter die sie uns geschmiedet, ist die der Armen unter der Geißel des Reichen, die der Arbeit unter der Willkühr des Geldsystems. Der Tod, den sie uns sterben machen, ist der langsame Tod der Erschöpfung und Entbehrung, und das Elend, das wir dulden, ist das Elend der Knechtschaft unter dem hohngelächte übermüthiger Herren. Und das sollen Landsleute seyn? Blutegel sind es, fremde Tyrannen, die unser Land gestohlen haben, ob durch List oder Gewalt, das ist gleich. Das sind keine Landsleute, diese falsche Patrioten, die sind uns fremder als der Kosack und der Franzose. Fremd sind sie unsern häuslichen Familienzirkeln, fremd unsern Mühen und Arbeiten, die sie nicht theilen. Fremd sind sie unserm Glauben, den sie heucheln und verspotten, fremd und feindselig unserer Hoffnung und unserer Liebe. Fremd sind sie unsern Fleiß, denn sie sind Müßiggänger; fremd sind sie unserer Entbehrung, denn sie sind Verschwender. Fremd sind sie Allem was uns nothwendig uns nützlich ist, fremder und feindseliger als der Kalmuck und der Franzose. . Fremd sind sie unsern Sitten, fremd werden sie sogar unserer Sprache; fremd sind und werden sie Allem, was uns lieb und werth ist. Also wenn das Vaterland frei werden soll, hinaus mit den Fremden. Was! — könnten sie uns hier antworten — wer ist Fremder, doch wohl nicht wir! denn unser gehört das Land, ihr aber seyd da es zu bebauen und zu vertheidigen. Eure Ahnen waren gemachte fremde Sklaven, später wurden sie Leibeigene, und noch später ließen wir sie frei und sie wurden was sie jetzt sind, Bauern oder Handwerker. Gut, mag seyn, so ist immer der Schluß, daß wir uns einander fremd sind, daß unsere Interessen einander schroff gegenüber stehen, und daß wir darum bald an etwas Anderes denken werden, als an die Verteidigung eures Wohlstandes und unseres Elends, welchen Zustand ihr Vaterland nennt. Damals vertheidigten die Völker das Land ihrer Vater selbst und brauchten keine Sklaven dazu, weil sie sich fürchteten, dieselben möchten die Waffen gegen ihre Unterdrücker kehren; heute haben sie es in der Kunst zu zähmen schon so weit gebracht, daß die Großen, Reichen und Mächtigen, wenn sie ein Interesse zu verfechten haben, ihre Heerden Sklaven gegeneinander schicken und sich zu Hunderttausenden abwürgen lassen, ohne daß es denselben einfiele, einen nützlichen Gebrauch von den ihnen anvertrauten Waffen zu machen. Wie man einen jungen Hund abrichten kann, auf ein gewisses oft ganz unbedeutendes Zeichen in Wuth zu gerathen, eben so den Menschen. Eine Nationalfarbe, ein Wappen, ein Fürstenname dienen oft dazu, ganze Völker auszusaugen und blutgierig gegen einander zu hetzen. Alle Vorurtheile und Leidenschaften des großen Haufens werden aufgeregt, um ihn im Namen der Vaterlandsliebe und der Nationalität zu einer willenlosen Maschine zu formen, welche die Eitelkeit und Herrschsucht dann mit größerer Leichtigkeit und Sicherheit regieren kann. Da ziehen sie denn hin zu Hunderttausenden gegen den vermeintlichen fremden Feind, welcher auch nichts anderes ist als eine lebendige willenlose Maschine, aus Arbeitern bestehend, die man mit List und Gewalt vom Pflug und aus der Werkstatt gerissen, um mit ihnen ein blutiges Drama zu spielen. Während der Zeit sitzen die Herren hinter beiden sich in wilder Leidenschaft feindselig zerstörenden Heeren und raffen alle im Lande aufzutreibenden Jugendkräfte, alle mit so vielem Fleiß aufgespeicherten Schätze zusammen, um das Feuer des Krieges immer wilder anzuschüren und immer mehr Materialien zu seiner Nahrung herbeizuschaffen. Das Vaterland ist in Gefahr! schreien sie. Das wissen wir leider nur zu gut, seitdem ihr es unverschämter Weise zu eurem ausschließlichen Eigenthum gemacht. Die Ehre ist in Gefahr! — Was, die Ehre! Nun da könnt ihr ja bald abhelfen, wenn es euch damit Ernst ist; die unsere ist schon lange in Gefahr; seit man dieselbe in die Hände des Eigennutzes überlieferte; seitdem man das Eigenthum, die Erbschaft und das Geld erfunden; seitdem man die vielen Gesetze machte, und die vielen Gefängnisse, Zucht- und Armenhäuser baute. Die Religion ist in Gefahr! — Puh! Puh! Wem wollt ihr denn das heute noch weiß machen? — Unser Eigenthum ist in Gefahr! Desto besser, da wißt ihr doch, wie es Einem zu Muthe ist, der gar keines hat. Desto besser! dann haben wir wieder Hoffnung euch zur Einsicht zu bringen und wieder Freunde zu werden. Nun, seht ihr wohl, ihr mögt nun künftig schreien: das Eigenthum, die Ehre, die Religion, das Vaterland u. s. w. ist in Gefahr, dies Alles darf uns nicht aus dem Concept bringen. Dieses Alles kann gar nicht fürchterlicher für uns in Gefahr seyn, als es jetzt ist. Bei uns ist aber noch viel mehr und zwar schon jetzt in Gefahr, von dem ihr keine Silbe sagt. z. B. Unser Lohn ist in Gefahr! denn ihr verwünschten Geldmäkler mackelt immer daran herum, brecht immer davon ab, und steigert dabei die Lebensmittel immer mehr und mehr. Unsere Gesundheit ist in Gefahr! denn ihr laßt uns zu lange, viel zu lange arbeiten, man wird ja vor lauter Arbeit seines Lebens nicht froh. Das geht von der Arbeit in’s Bett und vom Bett an die Arbeit, statt solch ein Sklavenleben lieber gar todt seyn, da verlören wir nicht viel. Das Leben unserer kleinen Kinder, die wir nicht gehörig pflegen können, weil wir die Mittel nicht dazu haben, ist in Gefahr! Das Leben unserer alten Väter und Mütter, die nicht mehr arbeiten und denen wir nicht hinreichend genug helfen können, ist in Gefahr! Die Zukunft unserer Jugend, die wir nicht genug aufklären können, weil wir nicht Zeit und Mittel dazu haben, ist in Gefahr! Alles, mit einem Worte Alles ist in Gefahr, worauf ihr den giftigen Basiliskenblick richtet, wonach ihr die unreine unersättliche Hand strecket. Da braucht’s keines auswärtigen Feindes, um uns in den Harnisch zu bringen, der innere hat sich frech und fest genug eingenistet. Auf den äußern Feind macht man uns aber jedesmal aufmerksam, wenn wir den innern wittern. Taschenspielerfaxen! als wenn wir nicht wüßten, daß der eben so von seinen Herren in den April geschickt wird als wir, während in unserm wie in seinem Rücken die wahren Feinde, die Zeitungen in der Hand, sich über den Erfolg der angestifteten blutigen Hetze freuen. So lange die Gesellschaft in Ungleichheit lebt, so lange ein Volk aus Herren und Knechten besteht, so lange ist es auch völlig gleich, wer die Herrschaft ausübt, ob Hinz oder Kunz, ob Napoleon, Friedrich Wilhelm oder Nikolaus, wir Arbeiter müssen unter dem einen Herrscher eben so den Esel machen wie unter dem andern. Auf uns packen alle Stände der Gesellschaft, der einheimische Herr wie der fremde, die unerträglichen Lasten. Sie denken, wir haben viel Geduld und Ausdauer, und können deshalb auch viel tragen. Ob uns des Nachbars Katzen die Fische fressen oder die eigenen, des Nachbars Katze auf die Straße hinauf verfolgen und die eigenen in der Küche lassen, das wäre des Auslachens werth. So haben wir’s aber bisher oft gemacht. Des Nachbars Katzen haben wir hinausgejagt, und die Hauskatzen fressen lassen. Ein fremder Feind ist weit weniger zu fürchten als wie ein einheimischer; eben so ein fremder Dieb weniger als ein Hausdieb. Wenn ganz Deutschland von russischen Kosacken und französischen Gensdarmen besetzt wäre, dann sollte Einer einmal den Jubel sehen, wie schnell wir die los werden würden; weil uns dann in der Bekämpfung derselben die Vorurtheile des jetzt noch wirksamen Nationalhasses zu Hülfe kämen. Der jetzige Feind aber, der unsere Sprache spricht, der sich durch unsere Landsleute beschützen läßt, und der sich vor den Leuten den Schein der Gerechtigkeit giebt, welcher durch die Gewohnheit geheiligt ist, dieser ist schwerer zu vertreiben. Jetzt haben wir kein Vaterland; wir werden nur dann eines haben, wenn die Gesellschaft für den Unterhalt aller ihrer Glieder auf gleiche Weise sorgt. So ein Vaterland lobe ich mir, für das stirbt und kämpft sich’s gern, nicht aber für unsere großen Zwangsarbeitsanstalten, die man Königreiche nennt, worin der Zuchtmeister Scepter und Krone, die Verwalter und Aufseher Degen, Sporen und Orden, und die Zuchtknechte Waffen, Ketten, Ruthen und Stricke tragen. Das sind keine Landsleute das! Das ist kein Vaterland, dieses Zuchthaus; das ist kein Volk, diese geknechteten verachteten Schaaren. Werft diese Mauern nieder, verbannt diese Auszeichnungen der Herrschsucht und der Unterwürfigkeit, vertilgt diese Werkzeuge der Furcht, der Strafe und des Zwanges; macht, daß man den Glücklichen nicht mehr vom Unglücklichen, den Verbrecher nicht mehr vom Richter und den Henker nicht mehr vom armen Sünder unterscheide. Die Natur hatte uns Alle ein Paradies geschaffen, was habt ihr nöthig für euch einen Himmel, für uns eine Hölle daraus zu machen. Wozu diese Komödie von hoch und niedrig, von arm und reich, von Arbeit und Müßigang. Reißt dieses Werk der Thorheit und des Unsinns nieder! Es war so schön das entschwundene Paradies, und hatte Raum für Alle, war schöner als euer Himmel und nicht mit dem Fluch der Hölle beladen. Laßt uns versuchen, es wieder herzustellen, damit nicht Einige, sondern Alle ein Vaterland haben. Ein Vaterland, das keine Hölle und kein Zuchthaus ist, wie das was ihr so nennt; ein Vaterland, das der Mühe werth ist, für seine Verteidigung Blut und Leben zu wagen. Was liegt den Züchtlingen daran, ob dieser oder jener Zuchtmeister regiert, ob diese oder jene Söldnerschaar die Wachen bezieht, so lange sie die Aussicht haben, im Zuchthause bleiben zu müssen, so lange interessirt sie der Wechsel nicht; kommt aber Jemand in der Absicht, die Thore ihrer Kerker zu öffnen und ihre Fesseln zu lösen, und geräth er dieserhalb mit Wachen und Zuchtmeister in einen Kampf, dem stiegen die Züchtlinge zu Hülfe, das ist ihr Mann, und sollten auch Hunde und Wölfe seine Kampfgenossen seyn. Nenne mir nur Jemand einen einzigen Nutzen, eine einzige Wohlthat welche die Gesellschaft dem Begriff Vaterland zu danken hat! Ich finde nicht den geringsten, der Nachtheile aber wohl die Menge. Schon diese Grenzenabstechung, diese gezwungene unnatürliche Trennung des Menschen von dem Menschen, wie wahnsinnig wie unverständig und lächerlich ist sie nicht! Denken wir uns die ganze Schöpfung sey ein großer Garten, der Schöpfer sey der Gärtner, und die ganze Menschheit sey ein Ameisenhaufen. Würde nun der Gärtner es nicht im Allgemeinen höchst unsinnig, und für ihn besonders höchst wunderlich und spaßhaft finden, wenn er sehen würde, wie die Ameisen den ganzen Garten in verschiedene Grenzen getheilt hätten, um deren Erweiterung und Verengerung sie sich zu todt bissen? Wer weiß ob nicht auch unser thörichtes Treiben von einem vollkommneren Wesen beobachtet wird, ohne daß wir davon Etwas gewahr werden. Ob denn uns das nicht auch für dumme Thiere halten muß, wenn es sieht, wie wir wegen einer Scholle Erde, die wir nicht verlieren und nicht bekommen, einander abwürgen, und wie dem der gut gewürgt hat, gefärbte Seidenraupenfasern auf die Brust gehoften werden. Wenn es sieht wie wir, obgleich Alle mit denselben Sprachorganen versehen, trotz alles Fleißes und aller Mühe die wir uns geben, um diese Organe auszubilden, dennoch einander nicht verstehen, und noch oben ein Alles zu bekämpfen und zu verhindern suchen, was geeignet ist dieser Verwirrung vom babylonischen Thurm allmählich ein Ziel zu setzen. Das beste Mittel den ewigen Grenzstreitigkeiten ein Ende zu machen ist, sie ganz aufzuheben! Die Grenzen sind noch einer der vielen, von Generation zu Generation vererbten Irrthümer; eben so die vielen Sprachen. Die Verschiedenheit der Sprachen ist nichts Heiliges und Schönes, und eben so wenig etwas Nützliches, sie ist dem Fortschritte in den Wissenschaften ein mächtiges Hinderniß. Fragen wir uns nun: wie sind die verschiedenen Sprachen entstanden; hat sie die Natur geschaffen, oder sind sie eine Erfindung des Menschen? Die Natur gab allen Menschen dieselben Sprachorgane, die können sie nach ihren Bedürfnissen ausbilden; sie haben also doch von der Natur aus alle die Fähigkeit, ein und dieselbe Sprache zu erlernen. Eben so schuf die Natur auch dem Menschen die Hände zur Arbeit, sie bestimmte nicht, daß diese oder jene Hand, nur diese oder jene Arbeit machen, dieses oder jenes Volk eine von den andern verschiedene, eigene Sprache sprechen sollte; sie ließ Jedem die Freiheit, die Mittel die sie ihm zum Arbeiten und Sprechen gegeben, nach seinen Bedürfnissen anzuwenden. Damit es nun dem Menschen auf dieser schönen Erde nicht langweile, gab sie ihm die Fähigkeit sich zu vervollkommnen; sie wollte ihn also nicht zwingen, von Jahrhundert zu Jahrhundert immer dieselben Arbeiten zu machen; noch hat sie ihm zum Gesetz gemacht, seine Sprachorgane in den verschiedenen Gegenden auf verschiedene Weise auszubilden, und so dem Zweck derselben, sich zu verständigen, für den sie auf der einen Seite so viel Mühe verwenden, auf der andern Seite geradezu entgegen zu arbeiten. Nein! sein ganzes Wesen ist für den Fortschritt, und für immer größere Vervollkommnung geschaffen; nichts soll und darf ihm heilig sein, was dieser Vervollkommnung entgegen ist. Am wenigsten hat die Natur gleichsam über die Oberfläche der Erde eine Landkarte gemahlt, und gesagt: so! dahier sprecht ihr deutsch, hier französisch, da russisch, hier kauderwälsch u. s. w. Wenn das dennoch so ist, so ist das eben wie noch so manches Andere ein verjährtes Uebel. Die Verschiedenheit der Sprachen ist eine Wirkung der Vereinzelung. Die verschiedenen Familien hatten sich in verschiedene Gegenden begeben, wo aus jeder derselben getrennt von der andern ein Volk wurde. Als sie später in Folge ihrer starken Vermehrung häufiger mit einander verkehrten, verstanden sie sich nicht mehr, denn jedes Völkchen hatte während der Trennung seine Hände und Sprachwerkzeuge auf seine eigene Weise eingeübt. Eben darum weil sich jedes Volk allmählich während der Trennung an eine verschiedene Sprache, verschiedene Sitten und Interessen gewöhnt hatte, eben darum weil sie sich nicht mehr verstanden, bekämpften, erwürgten und verfolgten sie sich. Die Verschiedenheiten der Sprachen, und der zur Lüge gewordenen Vaterlande, können heute wie immer nur dazu dienen, in der Gesellschaft den blinden Völkerhaß zu nähren, darum soll der Menschenfreund sich auch nicht scheuen, dieses dumme Vorurtheil der Vaterlandesliebe und der Nationalität in den Staub zu treten. Laßt immerhin den Unverstand sich mit diesen Irrthümern brüsten, und für die Erhaltung derselben das Feuer der Leidenschaften schüren, sie werden doch am Ende dem Fortschritt nicht widerstehen, welcher durch immer neue Erfindungen, die Aufhebung der alten Uebel immer nothwendiger machen wird. Wenn wir heute auf eine Insel von jeder Nation einige Kinder versetzten, und diese sich darauf ernähren könnten, so würden wir binnen 50 Jahren darauf ein ganz eigenes Völkchen, mit einer ganz eigenen Sprache finden. Eben so: wenn es möglich wäre, die 33 deutsche Bundesstaaten Jahrhunderte lang durch hohe Wälle, Gräben und Mauern, und ununterbrochenen Krieg zu trennen, so würde durch die lange Trennung es dahin kommen, daß sich aus den verschiedenen Dialekten der verschiedenen kleinen Staaten, eben so viele verschiedene Sprachen bildeten. Bedenken wir nur, wieviel Zeit durch das Erlernen der vielen Sprachen verloren geht! Was könnte statt dessen nicht Nützliches gelehrt und gelernt werden! Welche unangenehme Lage, sich in einem fremden Lande zu befinden, und der Unkenntnis der Sprache wegen den Einzelnen, so wie das ganze Volk, sammt seinen Sitten und Gebräuchen, erst einige Jahre später kennen zu lernen, als dies der Fall wäre wenn man sich verstände!! Ein Paar, auf die Erlernung von Sprachen verwandte Jahre ist viel Zeit im menschlichen Leben. Wozu dieser unnütze Zeitverlust? Angenommen, daß die Erziehung immer mehr vervollkommnet wird, und in der Folge Jeder Zeit und Mittel hat, soviel fremde Sprachen zu erlernen als er will. Aber wozu denn dieser Zeitverlust? Nehmen wir an, ein Individuum brauchte im Durchschnitt nur 6 Monat zur Erlernung einer Sprache, und lernte auch nur eine einzige neben seiner Muttersprache, so wären für Europa in jedem Zeitraum von 30 Jahren die Kräfte einer unnützen Studierzeit von 100 Millionen Jahre verloren. Alle die gegenwärtigen und zukünftigen Generationen haben mit den Sprachen nur eine kostbare Zeit zu verlieren. Wenn man mit einer Sprache dasselbe Resultat mit tausendfachem Nutzen erreichen kann, warum soll man es denn nicht anwenden? Leibnitz hatte schon diese Idee. Viele nach ihm haben sie wieder aufgenommen, aber sie ist nur im Prinzip der Gemeinschaft möglich, und ist nicht mit Gewalt einzuführen, auch nicht auf einmal; jedoch ist nichts leichter und augenscheinlicher als die Möglichkeit einer Weltsprache im Prinzip der Gemeinschaft. In diesem Prinzip ist die Ausführung jeder großartigen Idee möglich. Die Ausrottung verheerender Krankheiten, schädlicher Insekten, die Veredlung, Kräftigung und Verschönerung des menschlichen Körpers. Die Verhütung von Mangel, Ueberschwemmung und einer Menge anderer Uebel ist nur allein in der Gemeinschaft möglich. Schon darum, weil alle bekannte Sprachen große Unvollkommenheiten an sich haben, ist es nothwendig, eine ganz neue, schöne, wohlklingende, vollkommene Sprache zu Erfinden. Und wenn die Erfindung derselben möglich ist, warum sollte die Anwendung derselben nicht möglich seyn. Ohne das Prinzip der Gemeinschaft ist diese freilich nicht möglich. Nein! die Begriffe Sprachen, Grenzen und Vaterland sind der Menschheit so wenig nothwendig, als alle bestehenden religiösen Dogmen. Alle diese Begriffe sind verjährte Ueberlieferungen, deren Nachtheil immer fühlbarer wird je länger sie bestehen. Allerdings kann die gesellschaftliche Organisation sämmtlicher Erdbewohner nicht bis in ihre kleinsten Einzelnheiten über einen Leisten geschlagen werden; das ist auch weder nöthig noch angenehm. Es wird immer verschiedene Eigenthümlichkeiten geben, dieselben können aber recht gut zum Wohle aller Erdbewohner in eine schöne Harmonie gebracht werden, und diese Harmonie, weit entfernt, dadurch gestört zu werden, kann im Gegentheil gerade durch verschiedene Eigenthümlichkeiten sehr gefördert werden. Wenn man behauptet, ein jedes Volk habe seine Eigenthümlichkeiten für sich, so ist dies ein gewaltiger Irrthum, nur bei sehr wenigen Völkern ist dies der Fall, und bei diesen Wenigen sind die Eigenthümlichkeiten nur eine Folge des bei ihnen herrschenden Systems des Stillstandes, welcher dem Fortschritte nicht erlaubt, die alten Gewohnheiten und Sitten zu ändern. So sagt man, die Franzosen haben einen unruhigen, leichtfertigen und eroberungssüchtigen Charakter. Seit wann haben sie den, und woher kommt das? Kommt das etwa von dem in Frankreich herrschenden Klima her? Ist der Charakter aller Franzosen ohne Ausnahme eroberungssüchtig, unruhig und leichtfertig? Wenn es vom Klima herkommt, so müßten doch die Einwohner Oberösterreichs auch dieselbe Eroberungssucht haben. Oder macht der verschiedene Boden den Unterschied; dann müßte der Franzose im Auslande seinen Charakter mit der Zeit verlieren. Die Gesinnung der französischen Auswanderer, die hartnäckig in Deutschland seit der Zeit Friedrich des Zweiten auf Kind und Kindes Kinder fortfahren, ihren Gottesdienst in französischer Sprache zu halten, spricht eben nicht zu Gunsten dieser Behauptung. Wenn die Franzosen eroberungssüchtig sind, so waren sie es wenigstens nicht immer. Die Geschichte, die sie seit Ludwig den Vierzehnten durchgemacht haben, die ruhmvollen Tage der Republik, des Kaiserreichs und der Revolution von 1830 machten sie eroberungssüchtig, unruhig und leichtfertig; wenn wir Deutsche einmal solche Geschichten durchgemacht haben, können wir es auch werden. Ich glaube, wir trügen die Nase noch höher als die Franzosen, wenn wir einen deutschen Napoleon in der neuesten Zeit aufzuweisen hätten; wenn wir eine deutsche Revolution wie die von 1792 durchgemacht hätten. Wir haben schon jetzt im tiefsten Frieden und trotz unserer sogenannten Erniedrigung der politischen Schreihälse genug, die sich aufblasen, um den vermeintlichen Rhein-Eroberern beim Bierkruge eine Faust in der Hosentasche zu machen. Wäre aber auch wirklich bei allen Franzosen diese Eroberungssucht zur Specialität geworden und gäbe es außer in Frankreich sonst auf dem ganzen Erdenrund keinen eroberungssüchtigen Menschen weiter, so könnte diese Eigenthümlichkeit eben so gut wieder verloren gehen, wie sie gekommen ist. Die Franzosen dürften nur noch einige Jahrzehnte unter dem System Louis Philipp’s leben und der bittern Erfahrungen von 1815 noch einige machen, so würde sich der Enthusiasmus der Eroberung wohl abkühlen. Ich kann mich nicht erinnern, daß man uns ein eroberungssüchtiges Volk genannt habe; die Philister der Politik ärgern sich auch darüber, und werfen uns vor zu viel Weltbürger zu seyn. Seyen wir stolz, wenn dem so ist, dann haben wir auch eine Zukunft; der alte Mist der Trennung und Vereinzelung, der Begriff der Verschiedenheiten, des Vaterlandes, der Sprachen und der Grenzen wird keine haben. Man kaut uns so oft vor: jedes Volk habe seine Eigenthümlichkeiten. Nun leugne ich die Eigentümlichkeiten nicht, allein ich behaupte, daß jede Eigenthümlichkeit, die ein Volk vor dem andern hat, kein Werk der Natur, sondern ein Werk des Zufalls, der Gewohnheiten, der Geschichte, der Sitten eines Volkes ist. Diese aber sind veränderlich und nicht bleibend. Scheinbar bleibend können sie nur seyn durch ein System des Stillstandes, mittelst welchem der Despotismus der dickmächtigen alten Zöpfe jede neue Idee des Fortschrittes von Jahrhundert zu Jahrhundert zu verdrängen sucht. Wenn es außerdem natürliche Eigentümlichkeiten giebt, so beschränken sich diese nicht auf die Grenzen, die einem Volke durch die Willkühr, das Glück, die Macht und List seiner Beherrscher gezogen worden sind. Wenn
dem so wäre, so müßten sich die Charaktere der Nationen
an allen
Grenzen in zwei schroffe Hälften schneiden. Welche
Abgeschmacktheit!
Und solchen Mist verarbeiten unsere heutigen Welche Eigentümlichkeit kann man mir z. B. nennen, die allein dem deutschen Volke und sonst keinem angehört? Nicht einmal von der Sprache kann man dies sagen; diese ist nur sehr wenigen Völkern eigenthümlich. Wenn es nun aber Eigenthümlichkeiten bei den Völkern giebt, und zwar solche, die jedes Volk für sich allein, und kein anderes außer ihm besitzt, so muß doch wohl die Sprache die erste und wichtigste dieser Eigenthümlichkeiten seyn. Nun und nicht einmal diese ist weder bei den Deutschen noch Franzosen und Engländern etwas Eigentümliches. Sprechen in der Schweiz und Frankreich, in Altpreußen, Rußland, Böhmen, Ungarn, Polen und Amerika nicht ganze Völkerschaften deutsch? Spricht man in einigen Kantonen der Schweiz, in Savoyen, Belgien, auf Haity, in Louisianna und Canada nicht französisch? Auf was reduzirt sich denn da diese Eigentümlichkeit der Sprache, und was schadet es denn, daß sie nicht ganz eigenthümlich ist? Daß das Klima auf den Charakter des Menschen einwirkt, daß es auf die Verschiedenheit der Nahrung, Wohnung und Kleidung sowie auf die Entwicklung der Begierden und Fähigkeiten einen großen Einfluß übt, ist gewiß, und daß es diesen immer üben wird, sehr wahrscheinlich; das Klima hat aber mit den Begriffen von Volk und Vaterland gar nichts gemein. Bei der starken Bevölkerung Europa’s, bei der Zusammendrängung der vielen Völker, und dem starken Verkehr durch welchen sie mit einander in Verbindung kommen, ist es gar nicht möglich daß diese den neuern Ideen und Erfindungen hinderliche Verschiedenheit der Grenzen und Sprachen fortbestehen kann. So lange man von einander getrennt leben konnte und mußte ging das, jetzt aber, seit der Erfindung der Eisenbahnen, wird die Schädlichkeit und der Nachtheil obiger Begriffe schon fühlbarer. Wenn in 50 Jahren ein Netz von Eisenbahnen ganz Europa überzieht, meint man denn die Grenzen und Vaterlande würden nicht dem beschränktesten Kopf zum Ekel und zum Hinderniß werden? Meint man denn, man wird alsdann nicht einsehen, daß es doch recht unangenehm ist, in ein Paar Tagen ganz Europa durchziehen, ohne sich mit den vielen verschiedenen Völkern verständigen zu können? Die Eisenbahnen ganz allein werden die Menschen auf die Notwendigkeit aufmerksam machen, eine Weltsprache einzuführen, der Möglichkeit der Vervollkommnung der Luftschifffahrt gar nicht zu gedenken. Und giebt es einen Gelehrten, der diese Möglichkeit bestreiten kann? Und wenn man dies in Aussicht stellen muß, wird es denn alsdann nicht klar, daß eine einzige Sprache bei unsern bedeutenden Fortschritten in den Wissenschaften ganz nothwendig wird? — Machen wir uns darum nicht lächerlich, nehmen wir nicht immer den Bobomann der fremden Eroberungssucht in die Hand. Den Fremden wollte ich sehen, der im Stande wäre, ein Volk zu unterdrücken, das für die wahre Freiheit begeistert ist. So lange aber als wir mit der Freiheit eine Komödie spielen, sie mit bunten Nationalfarben übertünchen und sie in Grenzen einsperren, so lange deutsche Sklaven für die Freiheit deutscher Herren streiten, so lange sind wir ihrer nicht werth. Die Freiheit Aller oder Nichts! Diese aber läßt sich nicht zwischen Grenzen einsperren, welche die Eroberungssucht und die Trennung des Menschen von dem Menschen gemacht haben. Zwölftes Kapitel.Geld- und Waaren-Kramerei.Wohin wir heute in den Straßen die Blicke richten, beinahe in jedem Hause hat im Erdgeschoß ein Krämer sein Nest gebaut, und mit den Produckten der Arbeiten Anderer aufgespeichert. Welch eine Menge rüstiger Menschen sich den ganzen Tag in den Magazinen und Kneipen, auf den Stühlen und Absätzen herum drehen, und eine schöne Zeit verlieren, die so nützlich für das Wohl der Gesellschaft angewendet werden könnte! Das heißt nun auch arbeiten! fragt sie einmal, ob sie nicht arbeiten. Freilich hat diese Art von Beschäftigung auch sein Unangenehmes, denn ich glaube daß mancher Handwerker sich bei seiner Arbeit weniger langweilt als ein Ladendiener, der weniger sich abmüht, dabei aber mehr an seinen Herrn gebunden ist als der Arbeiter. Zugegeben also, daß nach der Ansicht der Krämer, die Krämerei und Kneiperei auch ein Geschäft ist, so wird man doch leicht einsehen daß es ein meist unnützes Geschäft ist, das wir im Zustande der Gemeinschaft, bis auf den zehnten Theil der damit Beschäftigten reduciren können. Manchmal, wenn ich durch die Straßen unserer großen Städte schlenderte, und die prachtvoll geschmückten, mit den Produckten der Natur und Kunst aufgespeicherten Magazine sah, dachte ich oft: was von dem Allen kannst du oder ein anderer Arbeiter der Erde wohl dein nennen wenn das Jahr herum ist? — Nicht den hundertsten Theil. Von gar vielen Luxusartikeln wüßte unser Einer gar nicht einmal Gebrauch zu machen, so sehr haben sich die Produkte der Arbeit vermehrt, welche die Verfeinerung der Genüsse des Lebens erfunden hat, und täglich noch Erfindet. Welche ungeheure Arbeitszeit erfordern nicht alle diese Produkte im Vergleich zu denen welche dem Arbeiter für seine Lebensbedürfnisse zugänglich sind! Dem der da arbeitet das Geringste von den Produkten der Arbeit, den Uebrigen das Schönste und Beste; das ist im Zustande der Ungleichheit nicht anders. Welche Verschwendung von Zeit und Materialien für die Einrichtung der vielen Magazine, mit ihren Auslagekasten, Comptoirs, u. d. g. Mit dem zehnten Theil der Kosten könnte sich die Gesellschaft viel schönere und bequemere Waarenniederlagen und Magazine herrichten, als alle diese großen und kleinen Säle, Keller, Bödens Höfe und Boutiquen. Und nun erst die Zeit die darinnen verloren geht! Macht euch einmal den Spaß, und beobachtet auf euren Spatziergängen Alles genau was das Krämervolk den ganzen Tag in ihren Laden treibt, und vergleicht damit den Gewinn den sie sich zueignen, so wundert es Einem wahrlich nicht mehr daß Christus bei Betrachtung dieses Unfugs so in Zorn gerieth, daß er mit Stricken darauf losschlug und das Eigenthum derselben nicht respektirte. Der Eine hat die Hände über die Rocktaschen gekreuzt, und schielt durchs Ladenfenster ob ihm keine Kunden vorbeigehen, oder ob sonst Niemand Miene macht ihm in’s Garn zu gehen; ein Anderer lehnt am Comptoir, hier wieder Einer der kratzt sich hinter den Ohren noch ein Anderer fältelt an den Stoffen herum. Hier verstecken, vertuschen und versalben die Einen sorgfältig die Mängel ihrer schlechten Waaren, um sie den Blicken der Käufer zu verbergen, dort schreien sich Andere die Lunge heiser, um einen mißtrauischen Bauer dran zu kriegen u.d.g. Wenn ihr an Markt- und Werktagen Zeit habt so geht und macht selbst die Beobachtung; es giebt eine Abwechselung von Aergerlichem und Spaßhaftem. So oft ich meine Beobachtungen machte, so fand ich immer die Anzahl der Käufer in den verschiedenen Magazinen in gar keinem Verhältnisse zu der Menge Ladenhocker die es darin giebt. Ich habe in den Magazinen der Luxusartikel sehr selten Käufer gesehen, und oft mein Erstaunen geäußert wie es möglich ist, den ungeheuren Aufwand und die Kosten zu erschwingen, die zur Erhaltung solcher Etablissements und der darin gefütterten Ladenhocker nöthig sind. Ein zahlreiches empfehlendes Dienstpersonal, gehört gleichsam zum sogenannten guten Ton. Selbst wenn der Kaufmann darauf nicht Rücksicht zu nehmen brauchte, so kann er doch um sein Interesse nicht zu gefährden, darin keine Reduktion vornehmen, weil sich die Käufer manchmal zu unbestimmten Stunden in den Magazinen häufen: denn Niemand weiß, ob und wann ein solcher Zudrang statt finden wird, weil dies in der heutigen Gesellschaft Alles vom Zufall abhängt. So müssen für die Möglichkeit eines solchen eintretenden Falles eine Menge junger Leute besoldet werden, die ihre Gesundheit und Kräfte zu etwas Nützlichen verwenden könnten, als zum Schachern und zur Ladenpuppe. Verkehrte Welt, in der wir leben! Diese Leutchen müssen wir nun noch wieder ernähren, dafür, daß sie uns nichts nützen! Der Krämer schüttelt ungläubig den Kopf, wenn ich behaupte, wir armen Teufel müssen ihn ernähren. Freilich wir! Wer denn sonst? Wer hat dir deine Stiefeln, deine Kleider und Möbeln gemacht? Wer die Waaren verfertigt, die du verhandelst? Wer hat das Magazin eingerichtet, was du zum Vorhof des Tempels gemacht hast? Wer hat das Haus gebaut, daß dich logirt? wer das Land, daß dich nährt? Du! nicht wahr? Und was für Dienste erweisest du der Gesellschaft als Austausch für die Wohlthaten, die du von ihr empfängst? Du nimmst die Waaren aus der Hand des armen Arbeiters und giebst sie in die Hand des reichen Käufers. Das kann ein Kind und ein Greis auch, dazu braucht es keine große Geschicklichkeit, Kräfte und Studien. Dieses Geschäft macht weder deiner Geschicklichkeit, noch deinen Anlagen und Kräften Ehre; denn du hast darin keine Gelegenheit, sie auf eine dem Wohle der Menschheit nützliche Weise anzuwenden. Deine pfiffigen Geld- und Handels-Speculationen sind keine nützliche, sondern meistens schädliche Speculationen für das allgemeine Wohl; wenn sie nützlich sind, so sind sie es für dich und deine Familie, die sich dadurch zu bereichern gedenkt. Ein anderes Uebel der Kramerei *), ein nicht minder schreckliches als die Bereicherung durch Verteuerung der Bedürfnisse und Verringerung des Arbeitslohnes, ist die Verfälschung der Produkte, welches sich diese Klasse zu Schulden kommen läßt. Besonders die kleinen Krämer sind in der Kunst der Verfälschung erfahren. Tücher und Stoffe läßt man, um Betrug und Verfälschung zu erleichtern, in den Fabriken eigens dazu verarbeiten. Hat ein Kaufmann seine Kunden an eine gewisse Breite des Lammet oder Seidenstoffes gewöhnt, so läßt er nach und nach immer etwas von der Breite abbrechen. Dasselbe geht mit den Halstüchern vor, und es heißt darum nicht mit Unrecht: Wer zu Markte geht nehme die Augen in die Hand. Ein Menge Artikel läßt man so leicht und zerbrechlich machen, als es nur immer möglich ist den Auge zu verdecken. Diese Gegenstände verkauft man denn etwas billiger, um die armen Käufer anzuziehen. Diese kaufen denn in ihrer Unkenntniß und sehen nur erst zu spät ein, wenn sie schon einige Mal den Schaden davon gehabt haben, daß sie angeführt worden sind und besser gethan hätten, eine gute Waare noch einmal so theuer zu bezahlen, als eine schlechte um den halben Preis nehmen, die oft nicht den zehnten Theil der Dienste thut als eine gute. 2) Sehr treffend schildert Victor Konsiderand den Unfug des Handels in folgenden Worten: Der Commerzmann ist ein Zwischenschieber, welcher die allgemeine Unordnung und die Nichtorganisation der Industrie zu seinem eigenen Vortheil benutzt. Der Commerzmann kauft die Producte, er kauft Alles; er ist Eigentümer und Einpacker von Allem, so daß er: 1stens die Production und die Consommation unter dem Joch hält, denn beide sind verpflichtet, ihm entweder Producte zu verlangen, die zum Verbrauch reif sind, oder rohe Producte, die noch bearbeitet werden müssen, oder die ersten Materialien dazu. Der Commerz mit seinen Schleichwegen des Zusammenscharrens, seinem Steigen und Fallen der Preise ist der zwischengeschobene Eigenthümer aller Objecte; er erpreßt rechts und links, und macht der Consommation und Production, von welcher er in einer guten Organisation nur der untergeordnete Diener sehn sollte, ein hartes Gesetz. 2tens. Er bestiehlt den gesellschaftlichen Körper durch den Ungeheuern Gewinn, den er von dem Produzenten und Consommenten erhebt, Gewinn, der ganz außer Verhältniß mit seinen Diensten ist, welche der zwanzigste Theil seiner Agenten genugsam, leisten könnte. Diese überflüssigen Agenten sind darum, weil sie der nützlichen Production entrissen sind, noch eine andere Bestehlung der gesellschaftlichen Körpers. Auf diese Weise bestiehlt er die Gesellschaft, indem er einen zu großen Theil der Reichthümer für sich nimmt, und indem er der fruchtbaren Arbeit eine Menge nützlicher Glieder entwendet, die er zu Agenten verwendet, und welche daran zurückkehren würden, sobald eine vernünftige Organisation des Commerzes dem heutigen Zustand der Dinge Platz machen würde. 3) Er bestiehlt den gesellschaftlichen Körper durch die Verfälschung der Producte, Verfälschung, die in unsern Tagen mit einer Wuth betrieben wird, die weit über alle Grenzen geht. Wahrlich, wenn heute in einer Stadt 100 Krämer etablirt sind, in welcher es früher nicht mehr halte als 20, so braucht man in dieser Stadt doch nicht mehr Krämer-Waaren als früher. Alle diese Krämer entziehen sich einander den Gewinn, und die Wirkung der Concurrenz zwingt sie, sich wieder zum Nachtheil der Consommenten zu entschädigen, entweder durch eine allgemeine Erhöhung des Preises, was sehr oft geschieht, oder durch die Verschlechterung der Producte, was sonst immer statt findet. In einem solchen Zustand der Dinge giebt es weder Gesetze noch Glauben: die schlechten und verdorbenen Waaren sind jedesmal für gute verkauft, wenn der einfältige Käufer sich erwischen läßt, weil er nicht die nöthigen Kenntnisse von den Waaren hat. Das kaufmännische Gewissen aber schläft ruhig darüber ein, indem es sich sagt: — "Ich habe meinen Preis in meinem Magazin, ich zwinge Niemanden zu kaufen." — Die Verluste, welche die Consommation durch die Verfälschung erleidet, sind nicht zu berechnen. 4) Er bestiehlt den gesellschaftlichen Körper durch die großen Anhäufungen, in deren Folge eine Menge auf einen Platz angehäufte Waaren verderben, weil sie keinen Absatz finden. Hören wir hierüber Fourier, der selber Kaufmann war: "Das Grundprinzip aller commerzialen Systeme, das Prinzip: "lasset den Kaufleuten vollkommene Freiheit," bewilligt ihnen das absolute Eigenthum aller Waaren, mit denen sie handeln! sie haben dadurch das Recht sie dem Umlauf zu entziehen, sie zu verstecken und selbst sie zu verbrennen, wie es die ostindische Handelsgesellschaft in Amsterdam mehr als einmal gemacht hat, welche öffentlich ganze Magazine von Zimmet verbrennen ließ, um diesen Artikel zu ertheuern: das was sie mit dem Zimmet machte, hätte sie auch mit dem Getreide gemacht, wenn sie nicht befürchtet hätte, dafür vom Volke gesteinigt zu werden; sie hätte einen Theil des Getreides verbrannt, um das andere 4mal theurer zu verkaufen. Und sieht man nicht alle Tage, in unsern Hafenstadten Fruchtkörner ins Meer werfen, welche der Negoziant hat verfaulen lassen, weil er zulange auf eine Theuerung gewartet hat? Ich selbst, habe in der Eigenschaft als Handlungsdiener diesen niederträchtigen Operationen beigewohnt, und habe eines Tages 20,000 Centner Reis in das Meer werfen lassen, den man mit einen mäßigen Gewinne hätte verkaufen können, wenn der Besitzer weniger gewinngierig gewesen wäre. Das ist der gesellschaftliche Körper, welcher alle diese Verluste tragen muß, die man jeden Tag sich erneuern sieht unter dem Schutze des philosophischen Prinzipes: Lasset die Kaufleute machen." Der Commerz bestiehlt ferner durch die Verluste, welche durch die Verstreuung der Producte in die Tausende der Magazine der Kleinhändler und durch die Vermehrung des Transports stattfinden. 5) Er bestiehlt den gesellschaftlichen Körper durch einen Wucher ohne Maaß und Ziel, einen wirklich erschrecklichen Wuchers. Der Commerziant operirt beständig mit einem eingebildeten Capital, welches sein wirkliches weit übersteigt. Ein Commerziant mit einem Vermögen von 30,000 Fr. wirkt, indem er Billete aufstellt, und durch das Verfahren der Reviremens und der theilweisen Zahlungen auf einen Fond von 50 bis 200 tausend Franken: er zieht also doch von seinem Kapital das, was er nicht hat, wucherische Zinsen, die außer Verhaltniß mit dem sind, was er wirtlich besitzt. 6) Er bestiehlt den gesellschaftlichen Körper durch die zahllosen Banquerotte: denn die Wechsel und Zufälle unserer industrielle Verhältnisse, die politischen Stöße, und Verfolgungen aller Art, führen mitunter einen Tag herbei, an welchem der Negoziant der Billets aufgestellt hat über den wahren Werth seines Vermögens, wie wir eben gezeigt haben, nicht mehr seine Geschäfte ins Gleichgewicht bringen kann, und sein Banquerott, sey er nun ein absichtlicher betrüglicher oder nicht, zieht den Ruin seiner zahlreichen Creditoren nach sich. Der Banquerott der Einen führt den Banquerott des Andern herbei, das ist ein Lauffeuer von Banquerotten, welche ruiniren und verwüsten; und das ist immer der Produzent und der Consomment, welche darunter leiden müssen, denn der Commerz in Masse betrachtet, schafft keinen Werth und setzt im Vergleich zu dem gesellschaftlichen Reichthum, der durch seine Hände geht, nur einen sehr kleinen Werth von dem Seinigen ein. Aber wie viele Fabriken sind auch durch solche Gegenstöße zu Grunde gegangen; Wie viele Quellen des Reichthums sind erschöpft durch diese Schliche und Zerstörungen. Der Produzent liefert die Waaren, der Consomment das Geld, der Commerz liefert unversicherte, oder doch nur auf einen schwachen, auf einen eingebildten Werth versicherte Billets, und die Glieder des commerzialen Körpes stehen nicht gut, die Einen für die Andern. Das ist in wenig Worten die ganze Theorie der Sache. 7) Er bestiehlt den gesellschaftlichen Körper durch die Eigenschaft, die er hat, nicht eher zu kaufen als zu den Zeiten, wo viel Waaren aus den Händen der Arbeiter gehen, und wo diese sich die Concurrenz machen, weil sie entweder den Zinz für Wohnung und Acker oder die Kosten und den Vorschuß der Arbeit zu zahlen haben. Wenn die Markte auf diese Weise bestellt sind und die Preise unter dem Werth stehen, dann kauft der Commerz, und bewerkstelligt eine Vertheuerung, und durch dieses einfache Manövre plündert er den Consommenten und den Producenten. 8) Er bestiehlt den gesellschaftlichen Körper durch eine beträchtliche Entziehung von Capitalien, welche der Industrie zu Gute kämen, wenn der Commerz seine untergeordnete Rolle spielte und nichts weiter wäre als eine Agentschaft, welche die geraden Versendungen zwischen einem großen Mittelpunkt der Consommation, einer gesellschaftlichen Gemeinde (commune societaire) und den mehr oder weniger entfernten Produzenten leitete. Also die in den Commerz gesteckte Capitalien — so schwach sie auch im Vergleich zu den Ungeheuern Reichthümern sind, die durch seine Hände gleiten— machen nichtsdestoweniger ungeheure Summen aus, welche angewendet werden würden um hervorzubringen, wenn der periodische Besitz, das dazwischengeschobene Eigenthumsrecht des Commerzes, demselben genommen würde, wenn der Umlauf anders organisirt wäre. Dal Börsenspiel ist der höchste Ausdruck der commerziale Lasters. 9) Er bestiehlt den gesellschaftlichen Körper durch die Mittel, welche er hat, sich aller Producte seines eigenen Vortheils wegen zu bemächtigen. Unter der Vertheuerung der Materialien, welche der Commerz zu dem Zweck eine Zeitlang dem Umlauf entzieht, müssen die Consommenten leiden, und vor ihnen die Manufacturisten, welche, um eine Werkstatt zu erhalten, bedeutende Geldopfer machen müssen, und in der Hoffnung auf bessere Preise ihr Etablissement, auf welches sich ihre Existenz gegründet, durch einen kleinen Gewinn zu erhalten suchen. Oft gelingt es ihnen nur erst sehr spät, die Vertheuerung der Materialien, welche der Zusammenkratzer ihnen aufzwang, wieder in Gleichgewicht zu bringen. Das Zusammenscharren ist das schändlichste commerziale Laster, indem es immer den leidenden Theil der Industrie trifft. Entsteht eine Theuerung der Lebensmittel, und der Waaren, so steht der Zusammenkratzer im Hinterhalt, um das Uebel zu vergrößern, bemächtigt sich der Vorräthe, eignet sich die zu, die man erwartet, und entzieht sie dem Umlauf, indem er den Preis derselben verdoppelt und verdreifacht durch Schleichwege, auf welchen er die Seltenheit der Producte übertreibt, und Befürchtungen verbreitet, die man nur erst zu spät als nichtig erkennt. Sie sind im industriellen Körper eine Bande Henker, welche die Wunden der leidenden auf dem Schlachtfelde aufreißen und vergroßern. Endlich alle diese Laster und viele andere, welche ich nicht citirt habe, vermehren sich die einen durch die andern durch die feine Verstrickung des Kaufmannischen Netzes; denn die Producte gehen nicht nur einmal durch die Hand des gierigen Commerzes; es giebt welche, die durch 20 bis 30 Netze passiren, ehe sie in die Hand des Consommenten gelangen. Zuerst, ehe die Materialien in die Hand des Arbeiters gelangen, der ihnen die erste Form giebt, gleiten sie durch die Klauen des Commerzes. Aus der Hand des ersten Arbeiters kommen sie wieder an den Commerz, und so immer wieder nach jeder andern Form, die der Arbeiter den Produkten giebt, bis zu ihrer letzten Verarbeitung. Dann gehen sie in die großen Comptoirs, welche sie an die Großhändler verkaufen und diese wieder an die kleinen Handlungen der Städte, und von da wieder an die kleinen Dorfkrämer. Bei jedem dieser Durchzüge lassen die Produkte einen Theil in den Händen der Handelsleute: urtheilet nun, ob dieser wilde Commerz, dem unsere Oekonomisten alle Liebe ihres Herzens weihen, eine so große Quelle der Wohlfahrt ist. Es ist doch ausgemacht, daß man den commerzialen Körper, in seinem gegenwärtigen Zustand betrachtet, und mit der Rolle Verglichen, die er spielen sollte, mit einem Schwelger vergleichen kann, den die fleißigen Arbeiter, so wie die Consommenten, gezwungen sind, zu nähren von ihrem reinen Einkommen; mit einem Vampir, welcher die Reichthümer und das Blut des gesellschaftlichen Körper saugt, unter dem Vorwande, dieses Blut und diese Reichthümer in Umlauf zu bringen. Es ist ausgemacht, daß er, im Vergleich zum Produzenten, ein Seeräuber ist, welcher nach Beute kreuzt; daß er, im Vergleich zum Consommenten, eine Spinne ist, welche ihr Gewebe spinnt, um die unforsichtige Fliege auszusaugen. Dieser Vergleich ist ganz treffend; denn so wie die Spinne in unsern Häusern und Feldern ihr sein gesponnenes Gewebe aufspannt, eben so legt der Commerz in unsern Straßen und öffentlichen Plätzen seine Waaren aus und spannt seine goldenen Netze, und wenn die Fliege sich fängt, wenn der einfältige Tropf da ist, so erscheint er am Comptoir, um ihn auszusaugen. Man sieht oft in der Luft im Winde spielende Spinnenwebe, reisende Spinnen; eben so haben wir reisende Krämer und Kramladen. Der Betrug im Commerz ist zum Sprichwort geworden. Der Gebrauch dieses Betrüges ist so ungezügelt, so allgemein, daß man nicht wagt, ein Kind in einen Laden zu schicken. Das ist etwas Schändliches! Abscheuliches! In solcher Gesellschaft leben wir nun, das ist der Commerz, den wir haben! solche Gelehrte haben wir! solche Leute, welche die Meinungen leiten! Was für Leute! Was für Gelehrte! die sich vor dem Commerz beugen, Weihrauch auf den Altar des Commerzes opfern, den Commerz anbeten und ihn Vater und Mutter, Ernährer der Nationen nennen! Mitleiden über solche Leute! Mitleiden und Verhöhnung! Es ist wahrlich zu verwundern, daß man nichts zu kritisiren findet, als nur immer die Regierung! Es scheint, als verschlinge die Regierung nur ganz allein die Reichthümer der Nationen, als setz sie nur allein die Pumpe, welche bestimmt ist, den Unterhalt der Nationen auszuschöpfen. — Bis zur Oeconomie in den Staatsinstanzen, zur Verminderung der Steuern, Verminderung des Soldes der unfruchtbar Angestellten, bis zum Verfangen einer billigen Regierung, so weit sind wir seit 40 Jahren gekommen, das ist das große Revolutionsbanner und die vermeintliche politische Weisheit! — — Gut! Die Angestellten, die Armee, die Heere von Steuereinnehmern und Grenzaufsehern, die Polizei und mehrere andere Zweige der Regierung sind unfruchtbar, und kostspielig zu erhalten! ein Theil dieser Aemter muß verschwinden, und die übrigen ökonomischer verwaltet werden; aber mit den politischen Reformen erreicht ihr diesen Zweck nicht, welche beständig Vermehrungen in der Armee und der Polizei nach sich ziehen. Die Bewegungen, welche den politischen Boden durchwühlen, treiben nöthwendiger Weise neue Zweige am Stamme der Regierung, und verdoppeln, verdrei- und vierfachen die Steuern. Die Erfahrung und die Logik haben das hinlänglich bewiesen. Das ist auch eine Steuer wie die der Regierung, welche der Commerz den Völkern auferlegt; das ist auch eine Armee wieder Kriegerstand, diese unzählige Handelsarmee, welche immer zu Felde zieht, um zu kaufen und zu verkaufen, um zu schätzen und zu erbeuten! und welcher Unterschied? — Hier bezahlt man mit seinem Leben und Blut, und erhält für seine Wunden seltene und mäßige Belohnungen! hier Ehre, Adel, Ehrgeiz, Aufopferung und Vaterland! — Dort Geld! Betrug! Geld! Geld und Geld! Der kaufmännische Geist bläßt in alle Adern des gesellschaftlichen Körpers die Verdorbenheit und den Eigennutz; er zernagt und zerstört das Nationalgefühl (Dies ist seine nützlicheste und wolthätigste Eigenschaft); er bringt alle niedrigen, eigennützigen und verderblichen Gefühle in Gährung! er entthront Alles, was edel und groß ist! er mißt mit der Elle und wiegt mit der Waage seines Comptoirs die Kunst und die Poesie; er begreift den Menschen nur als eine Maschine, welche zählt, multiplizirt, addirt und subtrahirt. Seine Literatur das ist der Wechsel und das zahlbare Billet; seine Strategie das ist die Erhöhung und Erniederung der Preise! seine Staatsstreiche sind Commerzstreiche; sein Degen ist die Elle; seine Kriegsgefangenen sind in den Schuldgefängnissen; sein Sieg ist die Aussaugung des Wohles der Völker; sein Rückzug das ist der Banquerott! seine Ehre das ist das Geld! sein Ruhm das Geld! Und mit den Lebensmitteln, welche Verfälschungen gehen da vor! Ich habe von einem Bauer gehört, der sich mit der Milchtaufe in einem Jahr 2000 Fr. erworben hatte. Wer hat ihm das Wasser für Milch getrunken? Wir! wer sonst? Die Reichen haben Geld, sich das Oberste herunter schöpfen zu lassen. Mit dem Weinfälschen haben sie es gar weit gebracht. Es wird in Paris auf den Barrieren und selbst in der Stadt Wein verkauft, der nichts als gefärbtes zubereitetes Wasser ist, und beinahe keinen Tropfen Wein enthält. So geht es mit der Butter, dem Brod, dem Fleisch und allen Lebensmitteln. Einer der selten Etwas kauft, muß fast immer seine Waaren theuer zahlen, als ein Anderer der das Handeln schon gewohnt ist, und mehr Geld und Waarenkenntniß, so wie mehr Uebung im Handeln erlangt hat. Der Reiche hat den Vortheil Alles im Großen einkaufen zu können, eben so der Wohlhabende; der Arbeiter und der Arme aber, müssen es sich erst aus der dritten und vierten Hand verschaffen, wo es ihnen dann doppelt und dreifach theuerer zu stehen kommt als dem Reichen, und noch obenein meistens verfälscht ist; während der Reiche der Verfälschung nicht so ausgesetzt ist, weil er die Mittel hat baar zu bezahlen, und gut und viel zu kaufen. Im heutigen Systeme der Ungleichheit wird es dem Kaufmann möglich, sich das Ansehen zu geben, als belebe er durch seinen Speculationsgeist Handel und Gewerbe und verschaffe auf diese Weise zahlreichen Individuen Arbeit und Brod, und verdiene somit ihren Dank. Dieses Vorurtheil hat sich so ins Volk eingefressen, daß man es überall begegnet. Ja heißt es oft: "Der Handel und der Commerz gehen gar nicht, darum ist auch das Elend so groß." Dem ist aber nicht so, sondern: Je größer im Zustande der Ungleichheit der Handel und Commerz sind, desto größer ist auch das Elend der arbeitenden Klassen. Seht auf England; welches Land weist wohl eine größere Gewerbs- und Handelsthätigkeit auf, aber in welchem Lande ist auch das Elend so groß, als gerade da; und warum? Eben weil der starke Handel und Commerz geeignet sind, die Reichthümer immer mehr anzuhaufen, und auf diese Weise den Müßiggang und die Verschwendung immer mehr und mehr vermehren und zum Nachtheil der arbeitenden Klassen, welche diesen Reichthum geschaffen haben, begünstigen. In den Ländern und Städten, wo der Handel und der Commerz am Besten gehen und am größten betrieben werden, findet man auch die meisten reichen Leute, und eben in den Ländern, wo es die meisten Reichen giebt, giebt es auch wieder die meisten Armen; denn dies ist von einander unzertrennlich. Sehet euch in allen den Ländern um, welche den wenigsten Handel und Commerz treiben, und ihr werdet finden, daß in denselben der Luxus nicht auf einen so hohen Grad geschraubt ist, als in andern Ländern; ihr werdet finden, daß es Arme und Reiche giebt, wie heute überall, aber eine so fürchterliche Armuth und ein so fürchterliches Elend wie in den Handelsstaaten findet ihr nicht. Wenn ein solcher Handelsstaat nur klein ist, und sich nur ausschließlich mit dem Handel beschäftigen kann, und durch seine vortheilhafte Lage dazu begünstigt ist, so hat er allerdings vom Handel Vortheile, weil gleichsam Alles Kaufmann, Krämer und Krämergehülfe ist. Dann müssen aber wieder andere Nationen darunter leiden, deren Produkte der Arbeit solch kleines Handels-Völkchen Jahr auf Jahr ein verschachert. Unsere Hansestädte sind solche kleine Krämerrepubliken, in denen beinahe Alles zu Schiffe geht, tauscht und krämert auf Unkosten Derer, deren Waaren sie verkrämern und Derer, denen sie die Waaren der Andern zuschicken. Diese Völkchen befinden sich noch nicht so unter dem Druck der fürchterlichen Armuth, weil die Reichen derselben mehr mit den Produkten des Auslandes als mit denen des Inlandes spekuliren müssen weil sie gleichsam die Handelsgeschäfte mehrerer Völker in Händen haben; weil die dort fortbestehenden Zunftgesetzt das Fabrikwesen und die Gewerbefreiheit nicht begünstigen und weil überhaupt mit dem Fabrikwesen heute nicht so Bedeutendes zu gewinnen ist, als mit dem Handel; weil die Konkurrenz zu groß und der erste Versuch immer zu gewagt ist. So wie es Einzelne giebt, die auf Unkosten Anderer vermöge ihres Standes oder ihres Gewerbes eine bessere Lebensart führe, so giebt es auch ganze Völker, die auf Unkosten der Nachbarvölker im Durchschnitt besser leben und weniger arbeiten; wohlverstanden, immer mit Ausnahmen Einzelner. Nehmen wir Genf an, welches einen starken Handel mit Uhren hat, die im Lande fabrizirt werden. Wer baut den Genfern ihre Häuser? Die Savoyarden. Wer macht ihnen ihre Möbeln und Kleider? Die Deutschen. Die Stoffe zu letzteren liefern ihnen die Franzosen. Von den Schreinern, Schuhmachern und Schneidern, die in Paris arbeiten, sind über die Hälfte Deutsche. Sehr sonderbar findet man es, wenn man die großen Städte Frankreichs und der Schweiz bereist, und fast nirgends in den Werkstätten einen Lehrjungen findet. Darum haben auch die Schaaren Deutscher, die alle Jahre in Frankreich einwandern, Hoffnung aus Arbeit und Unterkommen, obgleich es schon nicht so leicht ist, ein Unterkommen nach Wunsch zu finden, eben der großen Ueberzahl von Arbeitern wegen. Die Pariser sind nicht so dumm, daß sie sich zu einem Geschäft drängen wie das der Schneider, das sie zwingt, den ganzen Tag die Beine kreuzweis untergeschlagen, in einer verdorbenen Zimmerluft zuzubringen; die verkaufen lieber Schwefelhölzer oder wichsen Stiefeln auf den Gassen. In der Schweiz giebt es wenig Fabriken. Die Franzosen und die Deutschen liefern ihr die Stoffe; sie tauschen dagegen Schlacht-Vieh und Käse. Damit ist nun nicht gesagt, daß die Schweiz das gelobte Land sey, wo Milch und Honig fließe, o nein! weit gefehlt. Es giebt Arme die Menge, nur tritt die Armuth noch nicht in ein so grelles Licht, als in den andern Ländern. Die Schweizer hüten sich wohl, mit der Armuth hinter den Coulissen hervorzutreten; doch habe ich schon oft gehört, daß die Armuth in manchen Gegenden auch schon aufs Höchste gestiegen sey. Es giebt darin Reiche, Bettelleute, Zuchthäuser und Bedienten, und das sind der Beweise genug, daß auch die Armuth groß seyn muß. Ich habe in der Schweiz, im Kanton Luzern, eine Gegend gefunden, wo es Kinder von 7 Jahren gab, die, als sie mich ein Stück Brod essen sahen, ihre Eltern frugen, was das sey. Sie kannten nichts als Milch und Kartoffeln. In Basel besonders mag es bedeutend reiche Leute geben, denn beinahe die ganze Stadt Mühlhausen gehört ihnen, im neuen Quartier ist kein Haus, auf das sie nicht Hypothek hätten; auf diese Weise werden also die Folgen des großen Reichthums einiger Baseler mehr in Mühlhausen gespürt als in Basel, denn die Herren der Fabriken müssen den jährlichen Zins für das zur Aufbauung derselben geliehene Kapital nach Basel schicken, und die Fabrikarbeiter in Mühlhausen den Herren den Zins wieder verdienen. Eben so ist es mit dem Commerz. Das Zusammenraffen von Reichthümern bringt nicht immer an der Seite und in der Nähe des Krämers Mangel hervor, sondern dehnt sich öfter auf entferntere Gegenden aus; eben so wie man in einer Ebene Hügel aufwerfen kann und dabei die Vertiefungen, welche die ausgegrabene Erde bildet, doch am Fuß der Hügel vermeiden kann, wenn man die Erde zu deren Aufwerfung in einer entfernteren Gegend ausgegraben hat. Betrachten wir an Markttagen die Hunderte von Bauern und Bäuerinnen, die mit ihren kleinen Kram in die Stadt ziehen, um ihn da zu verhandeln. Die Meisten kommen mehrere Stunden Weges daher; Jeder bringt was er glaubt los zu werden, Niemand aber weiß was am nöthigsten gebraucht wird. Manche müssen deshalb ihre Waaren ganz ober theilweise wieder mit zu Hause zu nehmen, nachdem sie die Zeit unnütz verloren. Wieder Andere müssen mit geringem Vortheil, noch Andere wohl gar mit Schaden verkaufen, um nur nicht ohne Geld zurückzukehren. So viele tausend Verkäufer und Käufer sich an Markttagen zusammendrängen, so viele tausend Tage oder Stunden gehen auch für die Gesellschaft verloren. Wie sie da sitzen Einer an dem Andern mit ihrem kleinen Waarenkram, das ist wahrlich spaßhaft anzusehen. Alle wollen die Stadt verproviantiren, und Niemand weiß genau, was sie braucht, drum haben auch Hundert Jeder Etwas von ein und derselben Waare, als: Obst, Butter, Käse, Eier, Gemüse u. dgl. Und für jede dieser besondern kleinen Quantitäten die vielen Karren, Körbe und Menschen; wenn man allen Käse, alle Butter, alle Eier, jedes auf einem Wagen transportirt hätte — wie dies nämlich im Zustand der Gemeinschaft der Fall seyn würde — so hätte man der Hunderte von verschiedenen Körben und Säcken nicht nöthig gehabt, und die Hunderte von Bauern hätten sich nicht zu schinden gebraucht mit dem Einpacken und dem Transport, sie hätten nicht nothwendig gehabt, sich halbe Tage lang im Sommer der Hitze, und im Winter der Kälte auszusetzen, noch sich des Verkaufs wegen zu kümmern, zu ärgern und wohl gar zu streiten, zu zanken und zu schlagen. Es wäre von den Waaren weniger verloren gegangen und weniger zerbrochen worden; die Käufer ebenfalls hätten nicht nöthig gehabt, ihre Zeit zu verlieren, oder sich des schlechten Kaufs oder Betrugs wegen zu ärgern. Auch diese Käufer hätten ihre Hunderte und Tausende von Körben, Säcken und Kisten nicht nöthig, noch liefen sie Gefahr, bestohlen zu werden oder ihre Kleider zu beschmutzen und zu zerreißen. Auf die Märkte müßt ihr gehen und vor den Krämerläden eure Beobachtungen machen, da werdet ihr den Unfug der alten gesellschaftlichen Ordnung am leichtesten gewahr. Wem da nicht ein Licht aufgeht, der muß arg mit dem Staar behaftet seyn. Und nun der grenzenlose Unfug beim Reisen und Waarentransport! Oefters werden die Waaren aus einem Lande mehrere hundert Stunden weit nach einem entlegenen Markt transportirt, und dort aus der einen Hand in die andere verkauft, so daß mitunter zuletzt die Waaren nach eben derselben Gegend wieder hintransportirt werden, in welcher sie fabricirt wurden. Nun nehmen wir an, welche ungeheure Armee der Grenzsoldaten und Schleichhändler Europa nähren muß! Wer aber muß diese Menschen erhalten? Der, der die Waaren verarbeitet, Niemand anders; denn der, der sie verbraucht, lebt viele Male auch noch vom Nichtsthun. In Leipzig zur Zeit der Messe wird die Vorbereitung zum Schmuggelgeschäft wahrhaft fabrikmäßig betrieben. Da werden ungeheure Waarenvorräthe in lauter kleine Pakete gepackt, um sie so desto leichter durch zahlreiche Schmuggelbanden über die russische Grenze zu bringen. So war es wenigstens vor 10 Jahren. Da ist kein Geschäft, was nicht theilweise für die Schmuggelei in Requisition genommen wird; Wagen, Möbel und Kleider werden zu dem Zweck verfertigt. Wozu alle dies unnütze Arbeit? — Um dem Druck der Großen und ihrer Privatinteressen zum Vortheil Einzelner entgegenzuwirken. Von allen Seiten nichts als Raub, Diebstahl und Plünderung! Ein ewiger Krieg der persönlichen Interessen. Die Beute des Sieges theilen sich die Listigen und Mächtigen, die Kriegskosten aber sind für das arbeitende Volk. Dreizehntes Kapitel.Religion und Sitten.Die Religion ist der räthselhafte Wegweiser durch ein unbekanntes Diesseits, (das irdische Leben) nach einem noch unbekanntern Jenseits, (die himmlische Glückseligkeit) oder mit andern Worten: das Streben nach dem Ideal, höchster Vollkommenheit. Zu dieser irdischen, zu einem gemeinschaftlichen, höheren Ziele führenden Lebensreise, haben die Politik und die Phantasie gar verschiedene Wege gefunden, und uns dazu die Reisekarten mit ein und derselben Farbe gemahlt. Diese auf derselben so deutlich bezeichnete, steile, holprige, staubige Straße, ist der Weg den Armuth und Elend betreten. In dicht gedrängten Reihen ziehen die abgemagerten, schweißtriefenden Generationen, schweigend und duldend vorwärts; den kummervollen Blick nach dem ersehnten Ziele ihrer Leiden gerichtet. Auf beiden Seiten dieser Straße ziehen sich angenehme, schattige, blumenreiche, mit erquickenden Früchten und Quellen begrenzte Rasenwege entlang. Dieses sind die Wege der irdischen Glückseeligkeit, welche von den Reichen und Mächtigen, den Listigen, Pfiffigen und Gewaltübenden, betreten werden. Um nun dem großen Haufen auf der Elendsstraße, den Genuß des irdischen Glücks vergessen zu machen, hat man ihn auf das dunkle, hoffnungsvolle Jenseits angewiesen, und ihm die geduldige Entbehrung der irdischen Genüsse, zur Bedingung des Genusses der künftigen ewigen Glückseligkeit gemacht. Pfaffen und Gelehrte wurden von Denen auf den Rasenwegen gedungen, um diese Lehre Jenen auf der Elendsstraße zu predigen; dafür ward auch ihnen ein schmaler Fußsteig neben derselben. — Gensdarmen und Büttel wurden noch hinzugefügt, um den Menschenknäul vorwärts zu hetzen, und sein Abweichen von der Straße zu verhüten. Seit dieser Zeit nannten sich die Pfaffen Seelenhirten; So treiben unter der Anleitung politischer Bevorrechtler, und bezahlter Religionslehrer, die Einen in Freuden und Ueberfluß, die Andern unter Entbehrung und Leiden, ein und demselben unbekannten Ziele zu. Und wie die Ersten sich in Marsch setzten, so marschirten die Folgenden nach, wie Jene ihre Lasten trugen, so trugen sie Diese auch, wie die Ersten eine, gegen die Vorschriften der Hirten unternommene Abweichung von der bezeichneten Straße Sünde nannten, nannten es die Andern auch so. Sobald die Ersten das Beispiel der Eselei (die man später Bigotterie nannte) gaben, so gaben es die Andern auch; wie die Ersten dem Widerstand Einzelner gegen die Schergen der Gewalt ruhig zusahen, so auch die Uebrigen; wie Jene den einen Dieb nannten, dem es einfiel, von der Straße des Elends, der Arbeit und der Mühen einen Augenblick abzuweichen, um gegen den Willen der Spatziergänger rechts und links einige Früchte zu brechen, so sprachen es ihnen Diese nach; und als die armen verlumpten, abgemüdeten, und ausgehungerten Elendspilger anfingen den ersten Dieb zu verachten, so verachteten ihn alle Uebrigen auch. Eben so die Bevorrechteten auf den Wegen des irdischen Glücks. Weil der Vater seinen Diebstahl Eigenthum nannte, nannte ihn der Sohn auch so, ohne zu wissen daß Eigenthum und Diebstahl desselben Ursprungs sind. Als man endlich anfing es zu begreifen, waren es zwei von einander verschiedene Begriffe geworden. Das ursprüngliche Recht des Menschen zu nehmen, zu haben und zu besitzen, welches Anfangs Niemanden schadete, weil es genug zu nehmen, zu haben und zu besitzen gab, und Jeder nach Belieben sich zueignen konnte ohne dadurch dasselbe Recht eines Andern zu kränken, war weder ein Eigenthum noch ein Diebstahl. Erst später, als durch die starke Vermehrung der Menschen, so wie durch das Zusammendrängen derselben auf einen Punkt es nöthig wurde zu arbeiten um zu leben, und Einzelne sich mittelst der Hülfe übermäßigen Habens und Besitzens von der Arbeit ausschlössen, fing dieses natürliche Recht an ein Unrecht zu werden, und die besondere Besitznahme Einzelner, des zur Erhaltung Aller nöthigen Bodens, wurde ein Diebstahl gegen die Gesellschaft. Und wie damals die Tonangeber; so betrachteten alle Folgenden jede ausschließliche Besitznahme des Bodens als eine Eroberung, als einen Raub. Aber der Diebstahl war darum noch keine Schande geworden, sondern er war vielmehr eine Ehre; denn er bewies Gewandheit, List, Muth und Tapferkeit. Darum nannte man auch einige Zeit darauf das damit erworbene Gut Eigenthum, machte ihn legitim und ließ ihn vom Vater auf den Sohn forterben. . Auch das haben sie wieder Einer dem Andern nachgeäfft. Aber gegen diesen mit dem Namen Eigenthum belegten legitimen Diebstahl empörte sich die menschliche Natur fortwährend. Dies zu verhindern, wurde jede nicht legitime Art von Diebstahl von den Eigenthümern verboten und mit Strafen belegt. Um sich diesen Strafen zu entziehen, fing der Feige an heimlich zu stehlen, und die Handlung des Diebstahls zu leugnen. Seit dieser Zeit wird der Dieb verachtet, und der Eigenthümer geehrt, und zwar um so mehr, je reicher er ist. Diese Verwandlungen in den Gewohnheiten sind das Bild alles Dessen, was wir Sitten nennen. Alle sind der Veränderung unterworfen, und die meisten derselben können und werden in einer künftigen Ordnung der Dinge durch andere ersetzt werden. Nur die sind bleibend, welche auf ein natürliches Gefühl gegründet, und mithin zur Erhaltung der Harmonie in der Gesellschaft nothwendig sind, als z. B. die Treue, die Liebe, die Aufrichtigkeit u. s. w. Die Naturgesetze sind also die einzigen Grenzen der Freiheit der Sittenbildung. In unserm heutigen System der Selbstsucht wird ihnen jede beliebige Richtung gegeben, welche im Stande ist, den persönlichen Interessen Einiger und ihren besonderen Begierden zu schmeicheln. Darum macht man auch daraus je nach Belieben Tugend oder Laster, Sünde oder Leberwurst. Ein sittlicher Mensch ist also ein solcher, welcher gewissenhaft auf der ihm von Amtswegen vorgezeichneten Bahn fort wandelt, auf welcher ihn die Alten haben gehen lernen. Jeden Andern, der davon abspringt, um sich selber einen Weg zu suchen, nennt man unsittlich. Folgt einem solchen Abspringer ein starker Haufen und läßt dieser auch wieder nach dem Vorbilde der Alten seinen Zug in Ordnung halten, so nennt man dies eine Veränderung oder Milderung der Sitten. So ist also der rumpeliche schwere Alltagskarren durch einen tüchtigen Stoß der Zeitbegebenheiten aus dem alten Gleise gerissen wird und derselbe auf noch unbefahrener Straße ein neues bildet, verändern oder mildern sich die Sitten. Wenn Pfaffen und Büttel viel Mühe haben und große Anstrengungen machen müssen, die Menschen auf die Elendsstraße zurückzudrängen, so nennt man das ein Verderbniß der Sitten. Jede Veränderung und Verbesserung oder Milderung der Sitten entsteht also aus der gelungenen Abweichung Einiger von den alten Sitten. Jeder Versuch der Abweichung aber wird Unsittlichkeit genannt. Da nun der Fortschritt des Wissens nur in der ganzen oder theilweisen Abweichung vom alten Schlendrian, in dem gewaltsamen herausfahren aus dem alten Gleise denkbar ist, so ist jede auf den Vortheil Einiger berechnete Polizei der Sitten ein Hinderniß des Fortschrittes. Unsere heutigen Sitte sind also nichts als ein heilig gewordenes "Loaffen mers hoalt immer beim Alten." Alles Streben daher, die alten Sitten zu erhalten, ist en Streben des Stillstandes und der Verdrückung, und daher die größte Stütze des Despotismus und der Sklaverei. Aus dieser Sittenpolizei entstehen die oft sehr verwirrten Begriffe von Tugend und Laster, von gut und bös, von Verbrechen und Strafen, von Anständigkeit und Unanständigkeit, von Sittlichkeit und Unsittlichkeit. Was bei dem einen Volke gut heißt, ist bei dem andern Volke böse, was hier eine erlaubte Handlung ist, ist dort eine unerlaubte; was unter gewissen Umständen und bei gewissen Personen sittlich ist, ist unter andern Umständen und bei andern Personen unsittlich, z. B.: Nach den Sitten der Zigeuner springen die Kinder beiderlei Geschlechts oft bis in’s 15te Jahr mit einander nackend herum und der Bruder verkehrt mit der Schwester, ohne daß die Alten dabei eine Verletzung des Gefühls der Schamhaftigkeit ahnden, während die Türken das Ausgehen unserer Weiber und Mädchen mit unverschleiertem Gesicht und Busen als eine Schamlosigkeit und Unsittlichkeit bezeichnen. Wir unserer Seitz halten wieder die Vielweiberei der Türken für ein Laster, und wurden uns derselben schämen, während manche unserer Regierungen nicht die mindeste Schaam haben, die Vielmännerei der öffentlichen Mädchen gegen eine zu erlegende Steuer zu dulden, mit welcher sie ihre Pfaffen und Gesetzausleger bezahlen. So ist es nach den Gesetzen der Juden eine erlaubte, gottgefällige Handlung, einen Fremden (einen Christen) zu betrügen, während der Gegensatz davon bei den Christen, wie billig, eine Sünde ist. Der reiche Mann, welcher jährlich 5000 Rthlr. und darüber zu verzehren hat, gilt für einen tugendhaften Mann, wenn er davon jährlich der Armenbüchse einige Hundert zukommen läßt, während die, deren Arbeit, Mühe und Entbehrung er diese Einnahmen verdankt, für lasterhaft gelten, wenn sie für das Wenige, was ihnen von der schmalen Löhnung nach Bestreitung des Allernothwendigsten übrigbleibt, ein Glas Wein oder Bier trinken, anstatt es für eine unsichere Zukunft auf die Seite zu legen. Der reiche Almosengeber trinkt aber auch Wein, und zwar einen weit besseren als der Arbeiter, obgleich er ihn nicht verdient hat. Und nun die von der römischen Kirche verordneten Gebote der Fasttage! Welche Verhöhnung des Armen! der soll an bestimmten Tagen fasten, während für ihn doch alle Tage das ganze Jahr hindurch Fasttag ist. Wahrlich ich möchte wohl manchmal unsere Festtagsgerichte mit den Fastenspeisen der vornehmen bigotten Katholiken tauschen. Alle diese Begriffsverwirrungen sind eine Folge der uns durch die Herrschaft Einiger, und des persönlichen Interesses Mehrerer aufgezwungenen Sittenpolizei. Also in einem Systeme der Freiheit und Harmonie Aller keine Sittenpolizei! Wer für den Fortschritt ist, muß auch für die Aenderung der denselben hindernden Sitten und für die Aufhebung alles Sittenzwanges seyn. Sowohl die Religion als der Fortschritt zeigen uns das Ziel, welches zu erreichen wir uns bestreben sollen; es ist das Ideal höchster Vollkommenheit; aber die Staatspolitik theilt uns dazu auf sehr verschiedenen Wegen die Reisepässe aus, und die durch die Polizei des Staates und der Kirche bewachten Sitten sind die Ursachen, warum wir auf der uns angewiesenen, holprigen, steilen, staubigen Straße des Elends dem gewohnten Zuge vertrauungsvoll folgen, und es nicht wagen, an die von der Natur uns Allen bestimmten Quellen der irdischen Glückseligkeit hinüberzuspringen. Unsere eingefleischten alten Sitten sind doch also die festeste Stütze des heutigen Systems der Ungleichheit, der Tyrannei und Unterdrückung. Um diese Sitten zu verbessern, müssen wir sie zerstören. Sobald dies gelungen, stürzt der ganze morsche Bau der heutigen gesellschaftlichen Ordnung ganz von selbst zusammen. Wenn die Hausherren den neuen Bau verweigern, so muß der Einsturz des alten Gebäudes befördert, und an den neuen Bau keine Hand gelegt, sondern jeder neugelegte Grund immer wieder von Neuem zerstört werden, wenn der Plan dazu nicht den Interessen Aller auf gleiche Weise entspricht. Dies ist das letzte und kräftigste Mittel eines Volks und auch das sicherste. |